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Sommerpressekonferenz des Landeshauptmann: Verkehr, Toponomastik, Politik
Von Brüssel über Rom und Trient nach Bozen - LH Luis Durnwalder spannte heute im Rahmen seiner bereits traditionellen Sommer-Pressekonferenz nicht nur geographisch einen weiten Bogen. Vielmehr wurde auch thematisch alles angeschnitten, was derzeit unter den Nägeln brennt: Die Dauerbrenner Verkehr und Toponomastik genauso wie die Verfassungsreform, die Debatte um einen dritten italienischen Landesrat oder die Diskussion rund um eine vermeintliche Unwählbarkeit des LH.
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Europa
Nach den Europawahlen hat sich die Anzahl der Tiroler Abgeordneten im Europaparlament von zwei auf fünf erhöht. Eine laut Durnwalder durchaus erfreuliche Entwicklung, auch wenn man annehmen könne, dass letztendlich jeder die Interessen seines jeweiligen Landesteiles verfolge. "Ich habe aber trotzdem die Hoffnung auf eine gedeihliche Zusammenarbeit in zentralen Themenbereichen, etwa wenn es um den Schutz des Alpenraumes, den Verkehr oder ähnliches geht", so der Landeshauptmann. Der Grundstein für diese Zusammenarbeit soll bei einem Treffen der drei Landeshauptleute von Südtirol, des Landes Tirol und des Trentino mit den fünf Abgeordneten gelegt werden.
Ansonsten sieht Durnwalder in Brüssel derzeit fünf Themen, die aus Südtiroler Sicht im Vordergrund stehen. Erstens die Diskussion rund um die neue EU-Verfassung. "Einige Punkte darin sind für uns durchaus positiv, etwa die Erwähnung der Regionen, der Minderheiten und der Subsidiarität", so der Landeshauptmann heute. Damit würde eine solide Grundlage geschaffen, die in den kommenden Jahren weiter ausgebaut werden könne.
Thema Nummer zwei in Brüssel ist die Überarbeitung der Fördermaßnahmen. Durnwalder fürchtet, dass durch die EU-Erweiterung und die anstehenden Reformen der Fördermaßnahmen mit einer Konzentration auf Programme (wie etwa Leader) insgesamt weniger Geld nach Südtirol fließen werde. Diese Entwicklung müsse man im Auge behalten.
Der Verkehr war das dritte heute angesprochene heiße Südtiroler Eisen in Brüssel. In dieser Thematik sieht Durnwalder durchaus positive Entwicklungen: "Die Alemagna ist als nicht förderungswürdig eingestuft worden, der Brennerbasistunnel dagegen sehr wohl", so der Landeshauptmann. "Wir haben bereits eine Zusage über eine EU-Finanzierung von 20 Prozent und hoffen, diese auf 30 Prozent steigern zu können", so Durnwalder heute.
Thema Nummer vier wäre die Volkszählung: "Die ist noch nicht vom Tisch", so der Landeshauptmann. Derzeit erwarte sich die EU eine interne Lösung zwischen Südtirol und Italien. "Eine Grundsatzeinigung - das Buttiglione-Durnwalder-Abkommen, wenn Sie so wollen - steht bereits, die Detail müssen aber noch verhandelt werden", erklärt Durnwalder.
Schließlich wird auch die Energiefrage ein Thema der kommenden Monate sein. "Fest steht scheinbar lediglich, dass die EU italienweit jegliche Vorkaufsrechte in Sachen Energie streichen will", so Durnwalder heute zu diesem Thema.
Italien
Wichtigste Entwicklung auf gesamtstaatlicher Ebene sei derzeit die Föderalismusreform. "Die bisher auf dem Tisch liegenden Vorschläge befriedigen uns in keinster Weise", so das Fazit des Landeshauptmanns. Man könne zwar nur damit einverstanden sein, wenn den Regionen mit Normalstatut mehr Kompetenzen zugestanden würden, dies dürfe aber nicht auf Kosten der Regionen und Provinzen mit Sonderstatut gehen. "Wir können es nicht akzeptieren, dass wir alle auf die gleiche Stufe gestellt werden", erklärt Durnwalder. Dies sei auch rechtlich aufgrund der internationalen Schutzklauseln gar nicht möglich. "Nicht einmal mit einer Verfassungsreform", unterstrich der Landeshauptmann heute.
Sorgen bereitet Durnwalder auch die so genannte Ausrichtungs- und Korrdinierungsbefugnis (AKB), die wieder im Gespräch ist. Mit der AKB führe man - sozusagen durchs Hintertürchen - die römische Kontrolle Südtiroler Gesetze wieder ein und damit ewige Streitigkeiten vor dem Verfassungsgericht.
Ein Anliegen ist dem Landeshauptmann die Ratifizierung der Alpenkonvention durch den Staat Italien. "Das im Verkehrsprotokoll der Konvention enthaltene Verbot neuer alpenquerender Transitstrecken wäre für uns eine zusätzliche Beruhigung, auch wenn ich der Überzeugung bin, dass die Alemagna nicht gebaut wird", so Durnwalder, der einschränkt: "Zumindest nicht in dieser Form, dass sie also unser Land berührt."
Region
Zum ersten Mal konnte Durnwalder die in Pfalzen anwesenden Journalisten nicht nur als Landeshauptmann, sondern auch als Präsident der Region begrüßen. Betreibt Durnwalder nun die Aushöhlung der Region? "Jeder kennt meine Meinung zur Region, aber ich respektiere die Verfassung", so der Landeshauptmann, "und die Verfassungsänderung hat der Region nun einmal eine neue Rolle zugeschrieben."
Im übrigen sei er der Meinung, dass man in den letzten Monaten mehr bewegt habe, als in den gesamten fünf Jahren zuvor: Die Abwicklung der Delegierungen, die Regelungen der Bürgermeister-Entschädigungen, die Thematik der Gemeindesekretäre, das Familienpaket. Vor allem in letzterem Bereich gebe es noch einige Anpassungen vorzunehmen, etwa am Modell der Hausfrauenrente oder des Kindergeldes.
Klar sei, dass in der Regionalverwaltung durch die Delegierung verschiedener Kompetenzen an die beiden Länder nicht mehr so viel Personal benötigt werde wie zuvor. "Wir können sicher Personal in den unterschiedlichsten Bereichen einsparen", so Durnwalder, aber: "Es wird bestimmt niemand entlassen."
Südtirol
Wirtschaftlich, so die Analyse des Landeshauptmanns, stehe Südtirol immer noch überdurchschnittlich gut da: "Wir haben Vollbeschäftigung und ein immer noch höheres Wirtschaftswachstum als Deutschland oder Italien", so Durnwalder. Sicher, im Sommer sei ein Rückgang im wichtigsten Wirtschaftssektor des Landes, dem Tourismus, feststellbar. "Wenn man diesen Rückgang aber mit dem Plus der Wintersaison verrechnet, müsste eine ausgeglichene Bilanz herauskommen", so der Landeshauptmann.
Auch die sich in letzter Zeit häufenden Betriebsschließungen seien kein Grund zur Besorgnis. "Was die Anzahl der Betriebe in Südtirol betrifft, weisen wir gegenüber dem Vorjahr immer noch einen positiven Saldo von 200 neuen Betrieben auf", so Durnwalder. "Diese neuen Betriebe müssten demnach auch imstande sein, die frei werdenden Arbeiter aus den geschlossenen Betrieben aufzunehmen."
Was dem Landeshauptmann sehr wohl Kopfzerbrechen bereitet, sind die hohen Lebenshaltungskosten. "Wir haben hier natürlich keine Handhabe, direkt einzugreifen", so Durnwalder heute. Was ihm aber vorschwebe, sei eine eventuelle Neuregelung des Groß-Detailhandels und die kontinuierliche Beratung der Konsumenten (etwa im Bereich der Preisvergleiche).
Sparen sei auch weiterhin die Devise in der öffentlichen Verwaltung, so der Landeshauptmann weiter. Man habe zwar bereits erste wichtige Schritte gesetzt (etwa im Bereich der öffentlichen Bauten), auf diesem Weg weiterzugehen sei aber unumgänglich. Durnwalder stimmt in diesem Zusammenhang durchaus auch einer Kürzung der Politikergehälter um 10 Prozent zu.
Nicht zuletzt auch aus Spargründen kommt für Durnwalder auch eine Erweiterung der Landesregierung um einen Landesrat nicht in Frage. Insgesamt steht er der Forderung einiger italienischer Parteien nach einem dritten Landesrat ablehnend gegenüber: "Alle Berechnungen, die mir vorliegen, ergeben nur zwei italienische Landesräte", so der Landeshauptmann. Auf drei komme man nur, wenn man den ladinischen Landesrat der deutschen Volksgruppe zurechne, was laut Durnwalder "nicht möglich" sei.
Stellung bezog der Landeshauptmann auch zum Thema "Unwählbarkeit", das zur Zeit die Gerichte beschäftigt. Aufgrund einer entsprechenden Eingabe haben sie zu prüfen, ob Durnwalder selbst bei den Landtagswahlen im Herbst letzten Jahres nicht wählbar gewesen wäre, da er das Land im Verwaltungsrat der "Sadobre" vertritt. Die erste Verhandlung ist auf 19. August angesetzt.
"Glauben Sie mir, ich habe vor diesem Verfahren keine Angst", so Durnwalder heute. "Ich brauche auch keine "lex Durnwalder", mit der meine Situation nachträglich bereinigt würde. Ich möchte nur gleich behandelt werden, wie etliche Mitglieder der Landesregierung in den letzten Jahren", so der Landeshauptmann.
Bisher habe immer die Regelung Anwendung gefunden, dass nur der Posten eines Präsidenten oder Direktors einer Gesellschaft mit öffentlicher Beteiligung mit einer Kandidatur nicht vereinbar ist. Dies, also nichts anderes als die gängige Praxis der letzten Jahre und Jahrzehnte, wurde auch im Landtag von Trient bereits bestätigt und auch der Südtiroler Landtag wird sich mit dieser Interpretation zu beschäftigen haben. "Ich denke, es wäre nicht leicht nachvollziehbar, wenn Landeshauptmann Dellai und ich beide in der selben Gesellschaft sitzen - er wäre wählbar und ich soll es nicht sein."
Verkehr
"Vieles ist im letzten Jahr weitergegangen, viele wichtige Entscheidungen sind getroffen worden." Dies ist Landeshauptmann Durnwalders Eindruck in Sachen Verkehr. Für ihn besonders wichtig: "Das bedeutendste Vorhaben in Südtirol in den kommenden Jahren, der Brennerbasistunnel, ist auf den Weg gebracht. Wenn wir Verkehrsprobleme in Südtirol lösen wollen, dann können wir das nur tun, wenn wir den Transitverkehr an Südtirol vorbeischleusen", so der Landeshauptmann.
Einige wichtige Schritte in diesem Zusammenhang seien in den letzten Monaten gesetzt worden: Die österreichische BBT-Gesellschaft mit der Beteilgung von Bund und Land Tirol ist aus der Taufe gehoben worden, ebenso wie die italienische, an der Südtirol beteiligt werden soll. Die Gründung der gemeinsamen europäischen Gesellschaft stehe vor der Tür, die UVP sei nahezu abgeschlossen.
Was den Zugverkehr im Land betrifft, gebe es ausgiebige Verhandlungen mit der Gesellschaft Italtreni, in denen es um die Anzahl der Züge und um Fahrpläne gehe. Gleichzeitig rollen die ersten Züge probeweise auf der Vinschger Bahnstrecke. Und um die Bahn attraktiver zu gestalten, hat das Land 24 Bahnhöfe für 25 Jahre angemietet, um diese sanieren zu können.
Auch die Straßen müssten an die neuen Erfordernisse angepasst werden: "Wir wollen keine Rennstrecken, aber auch keine mittelalterlichen Zustände", so Durnwalder. Deshalb werde der funktionelle Ausbau des Straßennetzes vorangetrieben. Dazu gehört der Ausbau der Pustertaler Straße auf eine Breite von elf Metern und die Realisierung der entsprechenden Dorfumfahrungen (etwa Niederdorf), dazu gehöre die Umfahrung Leifers (das erste Baulos Branzoll-Steinmannwald steht derzeit auf der Tagesordnung der Landesregierung), dazu gehöre aber auch der Ausbau des Abschnitts Forst-Töll, die Weiterführung der Arbeiten an Eggen- und Gadertalerstraße und nicht zuletzt die Meraner Nordwestumfahrung samt Küchlbergtunnel, die voraussichtlich am 30. August von der Landesregierung in die Bauleitpläne eingetragen wird.
Gesundheit, Familie
"Derzeit habe ich das Gefühl, dass im Sanitätswesen eine große Unsicherheit besteht", so der Landeshauptmann. Deshalb noch einmal seine Zusicherungen: "Wir fangen nicht bei Kranken oder Menschen mit Behinderung an zu sparen. Was die Gesundheitsreform bringen soll ist lediglich eine Verhinderung weiterer Kostensteigerungen, die wir nicht mehr akzeptieren können", so Durnwalder, der auch darauf hinwies, dass Ticket und Pflegeversicherung notwendig seien.
Für das Familienpaket habe man 50 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Es gehe nun darum zu eruieren, wieviel in welche neue Strukturen investiert wreden soll, wieviel in die Versicherungen, wieviel ins Kindergeld. "Ziel ist jedenfalls, dass die Dienste - etwa jener der Tagesmütter - flächendeckend im ganzen Land angeboten werden", so Durnwalder.
Wohnbau
Mit dem Bau von 10.000 neuen und der Sanierung von 5000 weiteren Wohnungen soll das Wohnbauprogramm bis 2007 endgültig abgeschlossen werden. "Bereits heute gibt es nur noch insgesamt 15 Gemeinden, in denen Wohnungsnot herrscht", so Durnwalder. In allen anderen seien Wohnungen - auch freistehende - vorhanden. "Wer nun glaubt, dass wir die Konventionierungen aufheben, der täuscht sich", so Durnwalder, der hofft, dass das Angebot an Wohnungen auch zu entsprechenden Preissenkungen bei Kauf und Miete führen wird.
Tourismusabgabe
Landeshauptmann Durnwalder betonte heute noch einmal die Befürwortung einer Tourismusabgabe von Seiten der Landesregierung. "Grundsätzlich soll jeder sie zahlen, der direkt vom Tourismus profitiert", so Durnwalder, der derzeit "keine große Begeisterung" für eine solche Maßnahme ortet. "Wir werden eine solche Abgabe niemanden aufoktroyieren", so Durnwalder. Er betont auch, dass das Land von der Abgabe nichts - nicht einmal die Kosten für die Einhebung - zurückbehalte, sondern alles an die Tourismusorganisationen weiterleite. Das Geld des Landes soll dagegen tendenziell auf die Bewerbung des gesamten Landes konzentriert werden.
Toponomastik
Bis Ende 2005 soll das Thema Toponomastik in Form eines Gesetzes geregelt werden. Dies versprach Landeshauptmann Durnwalder heute erneut. "Sicher ist dafür viel guter Wille bei allen Volksgruppen erforderlich", so der Landeshauptmann. "Allerdings habe ich den Eindruck, dass keine der Volksgruppen mehr für Extremismen offen ist." Auf Seiten der Deutschen sei ein Großteil der Bevölkerung zur Einsicht gelangt, dass es "politisch unklug und kulturell ungerecht" sei, die italienischen Ortsnamen allesamt zu streichen. Auf italienischer Seite dagegen habe man akzeptiert, dass die Namen größerer Ortschaften etc. bleiben sollten, während die Mikrotoponomastik nicht durchgehend zweisprachig geregelt werden müsse.
Museum für moderne Kunst
"Es wird ein Museum für moderne Kunst geben. Dazu stehen wir", so Landeshauptmann Luis Durnwalder heute. Allerdings habe er es durchaus gewagt, laut anzudenken, ob nicht eine Unterbringung auf dem Ex-Alumix-Areal in der Bozner Industriezone sinnvoll sein könne. "Diese Option muss man sich durch den Kopf gehen lassen, bevor man den ersten Spatenstich tut", so Durnwalder heute.
chr