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Vinschger Bahnhöfe lassen Fahrgäste Geschichte erleben

LPA - Noch wird letzte Hand angelegt an den Bahnhöfen im Vinschgau, damit bei der morgigen Bahneröffnung ihr bauhistorischer Wert wahrgenommen werden kann und sie gleichzeitig nach jahrelanger Vernachlässigung wieder neu belebt werden. "Die historischen Hochbauten der Vinschger Bahn machen ihre Geschichte entlang der modernisierten Strecke, für den Bahnbenutzer direkt erlebbar und verbinden innerhalb des neuen Bahnkonzepts gleichsam als Vehikel der Erinnerung, Geschichte und Gegenwart miteinander", so die Direktorin des Amtes für Bau- und Kunstdenkmäler, Waltraud Kofler Engl, die nun Bilanz über die denkmalpflegerische Arbeit an den seit 2004 geschützten Hochbauten der Vinschger Bahn, diesen "Baudenkmälern des Verkehrs" gezogen hat.

Am Bahnhof von Naturns sind die Arbeiten nahezu abgeschlossen
"Im Zuge der Wiederinbetriebnahme der Vinschger Bahn wurden in den letzten Monaten die meisten Bahnhofsgebäude und einige Remisen denkmalgerecht saniert", so Amtsleiterin Kofler Engl, "dabei wurde auf die Erhaltung sowohl der originalen Bausubstanz als auch der verbliebenen Ausstattung gleichermaßen Wert gelegt. Die jahrelange Verwahrlosung und der damit einhergehende Vandalismus haben leider nicht unerhebliche Verluste verursacht."

Da die Bahnhofsgebäude nur zu einem kleinen Teil als solche verwendet werden, wurde eine Vorbereitung auf neue Nutzungsansprüche notwendig, mit neuen Raumeinteilungen, dem Einbau der sanitären Anlagen und andere Veränderungen. Dabei - so Kofler Engl - habe die Denkmalpflege besonders Augenmerk auf die nachgewiesene originale Farbigkeit gelegt. "Trotz einiger Widerstände konnte die Mehrzahl der hölzernen Lagerschuppen erhalten werden, da auch sie zu den schützenswerten Bauten entlang der Bahnlinie gehören", so die Amtsdirektorin weiter. Sie werden zum Teil für den Fahrradverleih genutzt. Das Bahnhofsgebäude von Schnalstal wurde den Freunden der Eisenbahn als Vereinssitz zur Verfügung gestellt.

In diesem Zusammenhang verweist die Amtsdirektorin auch an das zunehmende Interesse für technische Denkmäler: "Seit den 1970er Jahren hat die Erfassung Unterschutzstellung und Erhaltung von Zeugnissen der Technik-, Industrie- und Verkehrsentwicklung als Teil des historischen und kulturellen Erbes europaweit an Aktualität gewonnen. Die Schweiz beantragt zur Zeit die Eintragung der Rhätischen Bahn in die Liste des Unesco-Weltkulturerbes."

Auch in Südtirol konnten in den letzten Jahrzehnten Kraftwerke, Fabrikbauten, Brücken und im Jahre 2004 die Hochbauten der Bahnlinien Bozen–Brenner, Pustertal und Bozen–Meran unter Schutz gestellt werden. Nicht weniges ist jedoch dem Fortschritt, mangelnder Wahrnehmung und Kenntnis zum Opfer gefallen. "Gerade technische Denkmäler nehmen in der öffentlichen Wertschätzung einen geringeren Wert ein als Kirchen, Burgen, Schlösser, Altstadtbauten und Bauernhäuser, obwohl sie unsere Kulturlandschaft ebenso mitprägen", meint dazu Kofler Engl.

Für die Bauten der Vinschger Bahn erkannte die Südtiroler Landesregierung 2004 deren Denkmalqualität an. Damit waren sie das erste erhobene denkmalgeschützte Bahnensemble im Lande. Einen Einblick in die Baugeschichte und eine Beschreibung der einzelnen Bauten liefert die zuständige Amtsdirektorin:

"Der Bahnhof von Meran, die Aufnahmegebäude samt Dienstwohnung von Algund, Marling, Töll, Naturns, Schnalstal, Kastelbell, Latsch, Goldrain, Schlanders, Laas, Eyrs, Spondinig, Schluderns und Mals, die älteren Wassertürme auf der Töll, in Latsch, Laas und Mals, die Lagerschuppen und Nebengebäude wurden abgesehen von der Erweiterung und Aufstockung jenes von Mals, 1903 bis 1906 gemeinsam mit der Bahnlinie errichtet und sind weitgehend original erhalten. Lediglich Dacheindeckungen, Böden und die Farbigkeit waren im Laufe der Zeit erneuert worden. Sämtliche Pläne sind 1904 datiert und von Konstantin Ritter von Chabert, Ingenieur des k.k.Eisenbahnministeriums und Oberbauleiter der Vinschger Bahn, unterzeichnet.

Während sich Chabert beim Meraner Bahnhof am barocken Palastbau und an den Wiener Verkehrsbauten Otto Wagners orientierte wählte er für die Vinschger-Bahn-Bauten ein betont ländliches Typenrepertoire mit Bezug zum Historismus und zum Heimatstil. Formen des Jugendstils sind vor allem im Bereich der Holzelemente und der Schablonenmalereien integriert. Die gemauerten, im Unterschied zur Brenner- und Pustertalerbahn, verputzten Gebäude mit abgewalmten Dach, Holzverkleidung und Fachwerk an den Giebeln und hölzernen Verandavorbauten folgen den Normplänen der Österreichischen Staatsbahnen wie sie sehr ähnlich für die Lokalbahn der Wachau (1909), der Pyhrnbahn (1905-1909) und der Wechselbahn zur Ausführung kamen.

Je nach Größe und Ortschaft kamen drei Gebäudetypen mit genau festgelegten, zwar handwerklich gefertigten, jedoch schon seriell gedachten Baudetails zur Ausführung; der eingeschossige Typ in Algund, Marling, Naturns, Kastelbell, Goldrain, Eyrs und Mals, jener mit zweigeschossigem Wohngebäude auf der Töll, in Schnalstal, Staben, Latsch, Schlanders, Laas, Schluderns und der repräsentativste mit größerem Ausnahmegebäude und Veranda in Spondinig, der touristisch attraktivsten Anschlussstation für die Weiterfahrt ins Ortlergebiet.

Sogar die Farbgebung war der durchgehenden gestalterischen Linie folgend, einheitlich. Hellgraue Putzflächen mit hellgelben Eckquadern und Lisenen, rot-grün gestrichene Holverkleidungen, Dachuntersichten und Veranden. Die Remise von Mals und die Wassertürme auf der Töll und in Latsch, entstanden in der Zwischenkriegszeit. Gerade letztere kontrastieren als funktionale Zweckbauten aus Beton mit den altösterreichischen historisierenden Fassaden der Aufnahmegebäude. Obwohl sie ihre originale Nutzung verloren haben, sind sie als Zeugnisse des Verkehrs und seiner Entwicklung erhaltenswert."

jw

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