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"20 Jahre Ötzi": Jahrestag der Auffindung des Mannes aus dem Eis mit Festakt im Merkantilgebäude begangen
LPA - 20 Jahre sind vergangen, seit am 19.09.1991 zwei deutsche Urlauber, Erika und Helmut Simon aus Nürnberg, auf dem Tisenjoch im Gletschereis der Ötztaler Alpen die - wie sich herausstellte- weltweit am besten konservierte Mumie aus der Kupferzeit entdeckten. Gestern wurde mit dem Festakt "20 Jahre Mann aus dem Eis" im Bozner Merkantilgebäude an diesen außergewöhnlichen Fund erinnert.
Bei dem Festakt, der Personen aus verschiedenen Bereichen versammelte, die sich mit dem Mann aus dem Eis seit seiner Auffindung beschäftigen, waren Landeshauptmann Luis Durnwalder, der Landeshauptmannstellvertreter aus Tirol, Anton Steixner, sowie die Ländesräte Sabina Kasslatter Mur, Hans Berger und Florian Mussner zugegen, Angelika Fleckinger, Direktorin des Südtiroler Archäologiemuseums zeichnete die Geschichte Ötzis, sein Leben in der Kupferzeit sowie die Faszination, die er seither auf Forscher und Medien in aller Welt ausübt, nach.
"Der Mann aus dem Eis stieß vor 20 Jahren ein unerwartetes Sichtfenster in die Vergangenheit auf", unterstrich Kulturlandesrätin Sabina Kasslatter Mur in ihren Eröffnungsworten. "Weltweit haben Medien über die Gletschermumie berichtet, und so rückte Ötzi und mit ihm Südtirol in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Ich begrüße die Initiative des Archäologiemuseums, den 20. Jahrestag von Ötzis Auffindung zum Anlass zu nehmen, um ein aktualisiertes Gesamtbild der Thematik zu präsentieren."
Landeshauptmann Luis Durnwalder betonte, dass Ötzi für Südtirol Chance und Auftrag zugleich sei: "Auftrag, weil wir die Mumie für die Menschheit erhalten müssen. Sie soll der Forschung, aber auch allen Interessierten zugänglich sein. Und Chance durch das Archäologiemuseum, das die Mumie seit 1998 beherbergt: Der Eismann hat maßgeblich dazu beigetragen, Südtirol weit über seine Grenzen hinaus als Land zu etablieren, das auf Jahrtausende an Tradition und Kultur zurückblicken kann und diese Zivilisationsgeschichte angemessen pflegt. Ausdruck dafür ist die in den vergangenen 20 Jahren entstandene Museumslandschaft, an deren Spitze das Archäologiemuseum mit dem Ötzi steht."
Die Forschung, so der Landeshauptmann weiter, habe seit 1991 zahlreiche neue Informationen aus der Vorgeschichte erhalten und mit der Gründung des Instituts für Mumien und den Iceman sei 2007 an der Europäischen Forschungsakademie (EURAC) in Bozen die solide Basis dafür geschaffen worden, dass auch in Zukunft am und über den Mann aus dem Eis geforscht werden kann. "Ötzi soll der gesamten Menschheit gehören, die durch seine Erforschung neue Erkenntnisse gewinnen kann. Da diese Forschung nie ganz abgeschlossen sein wird, ist es unsere Aufgabe, ihn auch für kommende Generationen zu konservieren und immer offen für neue Forschungsmethoden zu sein. Das ist der hohe Wert dieser Mumie." Die Unterbringung im Archäologiemuseum gewährleiste eine würdevolle Umgebung, sei aber beinahe zu klein geworden, so der LH weiter. Hier werde die Landesregierung gemeinsam mit der Gemeinde Bozen versuchen, eine Lösung für die Zukunft zu finden.
Den Festvortrag hielt Niels Lynnerup, Präsident des wissenschaftlichen Fachbeirats vom Mann aus dem Eis zum Thema: "Why study the Iceman?". "Ötzi bietet endlose Forschungsmöglichkeiten", so der dänische Anthropologe und Forensiker, der sich seit 20 Jahren mit Mumien aus unterschiedlichen Epochen beschäftigt. "Die Antwort auf die Frage, warum Ötzi erforschen, lautet für mich daher einfach: weil er gefunden wurde. Dieser Fund war so außergewöhnlich, dass er untersucht werden musste. Wir werden nie die ganze Wahrheit über unsere Vergangenheit erfahren, durch Funde wie Ötzi können wir Geschichte aber immer wieder neu erzählen." Die Wissenschaft müsse bestrebt sein, immer die besten, zum jeweiligen Zeitpunkt möglichen Methoden anzuwenden, dafür sei Ötzi ein herausragendes Beispiel, so Lynnerup.
Der Tiroler Landeshauptmann-Stellvertreter Anton Steixner erinnerte an die Umstände der Entdeckung der Gletschermumie und unterstrich vor allem den gesamttiroler Aspekt: "Nach anfänglicher Zweifelhaftigkeit brachte eine Vermessung Klarheit – die Fundstelle lag rund 100 Meter von der Grenzlinie entfernt auf italienischem Staatsgebiet. Im Sinne der Gemeinschaftlichkeit von Tirol und Südtirol fanden die ersten Untersuchungen an der Landesuniversität Innsbruck statt, bevor Ötzi nach Bozen verlegt wurde. Auch 20 Jahre nach seiner Entdeckung ist Ötzi ein Bindeglied zwischen Tirol und Südtirol – nicht nur für die Wissenschaft, sondern auch für die Bevölkerung. Der Fund nützt der gesamten Europaregion und führt zu einem stärkeren Austausch."
Ötzi von seiner Entdeckung bis heute
Gefunden im unmittelbaren Grenzgebiet zwischen Österreich und Italien/Südtirol war nicht sofort klar, auf welchem Staatsgebiet die Fundstelle von Ötzi liegt. Erst mit der genauen Vermessung des 1922 festgelegten Grenzverlaufs ist geklärt, dass die Fundstelle von Ötzi auf dem Gebiet der Autonomen Provinz Bozen liegt. In einem Vertrag wird festgehalten, dass die ersten wissenschaftlichen Untersuchungen an der Universität Innsbruck durchgeführt werden, der Fund aber, sobald in Südtirol die notwendige Infrastruktur aufgebaut ist, nach Bozen überführt und im neu eröffneten Südtiroler Archäologiemuseum ausgestellt werden sollte.
Der Transport von Ötzi am 16. Januar 1998 wurde mit einem großem Polizeiaufgebot auf der abgesperrten Brennerautobahn und mit Rotlicht blockierten Kreuzungen nach Bozen vorgenommen. Seit dem 28. März 1998 ist die Mumie nun zusammen mit den Beifunden im Südtiroler Archäologiemuseum zu sehen. Seitdem Ötzi im Museum in Bozen ausgestellt ist, gehört er zu einer der wichtigen touristischen Attraktionen Südtirols. Jahr für Jahr wird das Museum von an die 240.000 Besucherinnen und Besuchern aus der ganzen Welt besucht.
Besonders präsent ist Ötzi auch in den beiden Tälern am Fuße der Fundstelle, dem Südtiroler Schnalstal und dem österreichischen Ötztal. Die seit prähistorischer Zeit benutzte Route ist heute als „Archäologischer Wanderweg“ ausgewiesen und Teil des alpenquerenden Fernwanderweges. Nur eine Stunde neben der Hütte an der Hauptroute gelegen, ist die mit einer Steinpyramide markierte Fundstelle auf 3.210 m über Meer eine gerne besuchte Attraktion. Auch unten im Tal hat Ötzi zur Belebung des Tourismus beigetragen. In zwei Erlebnisparks beidseits der Fundstelle können Kinder und Erwachsene neben ausführlichen Informationen zu Leben und Welt des Mannes aus der Kupferzeit – unter Anleitung von speziell ausgebildeten Museumsmitarbeiterinnen und Mitarbeitern – Techniken aus Ötzis Zeit kennen lernen.
Der über 5.000 Jahre im Eis verborgene Mann fasziniert und bewegt seit seiner Auffindung vor 20 Jahren Laien und Wissenschaftler, die ihm jedes erdenkliche Geheimnis zu entlocken versuchen. Doch erst durch die Entscheidung, Ötzi sowie seine Kleidung und Ausrüstung in einem Museum auszustellen, wurde die Eismumie zum echten Wirtschaftsfaktor. 17 Milliarden Lire (etwa 8,8 Millionen Euro) wurden 1998 in das neue Museum investiert: Ein Drittel der Kosten fielen dabei allein auf den Konservierungsbereich der Mumie. Es entstanden neue Arbeitsplätze. Menschen mussten sich ab jetzt um die Präsentation, Vermittlung und Vermarktung der Thematiken „Ötzi und Südtiroler Archäologie“ kümmern. Und die Besucher und Besucherinnen kamen und kommen in Strömen.
Ötzis internationale Berühmtheit hat sich in den letzten Jahren noch gesteigert, dank zahlreicher Medienberichte über neueste Forschungsergebnisse wie die weltweit ausgestrahlten Dokumentationen von Discovery Channel und National Geographic und zwei vom Museum koordinierte Ötzi-Wanderausstellungen, die mit Kopien der Mumie und den Beifunden seit Jahren durch die Welt touren. Dank dieser Ausstellungen kennt man Ötzi auch in Ländern, für deren Einwohner Südtirol kein Begriff war.
Ötzis Präsenz stellt das Südtiroler Archäologiemuseum in eine Reihe mit den wichtigsten Archäologiemuseen Europas. Und erst durch Ötzi und die mit seiner Entdeckung einhergehende wissenschaftliche Forschungstätigkeit wurden Wissenschaftler von Rang plötzlich auf Südtirol aufmerksam. Die Welt der Wissenschaft schaut jetzt nach Bozen, wenn Albert Zink, Anthropologe und Leiter des Institutes für Mumien und den Iceman an der Europäischen Akademie in Bozen, neue Ergebnisse rund um Ötzi, aber auch auf anderen Gebieten der Mumienforschung präsentiert.
In gewisser Weise ist Ötzi zu einer Marke geworden. Über drei Millionen Menschen haben Ötzi bisher im Original gesehen. Aber noch viel mehr Menschen verbinden mit seinem Namen ein Bild und eine Geschichte.
mpi