Eine Autonomie für drei Sprachgruppen

In Südtirol leben heute rund 520.000 Menschen mit drei verschiedenen Muttersprachen zusammen. 69,4 Prozent der Bevölkerung gehören der deutschen, 26 Prozent der italienischen, 4,5 Prozent der ladinischen Sprachgruppe an. Zusätzlich zu den drei traditionellen Sprachgruppen leben 46.000 Ausländer im Land, davon stammen 31.000 aus anderen EU-Staaten.
Den größten Anteil an der Bevölkerung stellt die deutsche Sprachgruppe. Sie geht historisch auf die germanischen, alemannischen und bairischen Stämme zurück, die zur Zeit der Völkerwanderung das heutige Südtirol durchquert haben und zum Teil hier sesshaft wurden.
Die zweitgrößte Sprachgruppe ist die italienische. Sie ist kulturhistorisch gesehen auch die jüngste im Land. Die zahlenmäßig stärkste Entwicklung erfuhr sie in der Zeit des Faschismus in den 1920er und 1930er Jahren, als das Mussolini-Regime versuchte, durch die massive Zuwanderung aus dem Süden den „italienischen Charakter“ Südtirols zu unterstreichen. Wurden 1910 noch 7339 Italiener in Südtirol gezählt, waren es 1961 bereits 128.271. Der Anteil der italienischen Sprachgruppe an der Gesamtbevölkerung stieg damit von 2,9 auf 34,3 Prozent. Heute gehören 26 Prozent der Bevölkerung zur italienischen Sprachgruppe.
Die ladinische Sprachgruppe gilt als die älteste im Land. Das Ladinische ist eine neolateinische oder romanische Sprache. Nach der Eroberung der alpinen Regionen durch das Römische Reich im Jahr 15 v. Chr. übernahm die einheimische Bevölkerung das Volkslatein der Beamten und Soldaten, ohne jedoch gänzlich auf die eigene Sprache zu verzichten. Das Ladinische entwickelte sich somit aus dem Volkslatein, das die Räter, Noriker und Karnier in diesem Gebiet von den Römern übernommen hatten.
Die Besonderheit Südtirols ist das Zusammenleben dreier Sprachgruppen in einem relativ kleinen Land: Dieses Zusammenleben war nicht immer so reibungslos wie heute, erst ein jahrzehntelanger Verhandlungsprozess - zeitweise begleitet von Bomben und Gewalt - hat ein Gleichgewicht zwischen deutsch-, italienisch- und ladinischsprachigen Südtirolern hergestellt.

Ein komplexes und ausdifferenziertes Rechtssystem, Ämterrotation, paritätische Gremienbesetzung und die proportionale Vertretung aller Sprachgruppen sind die Garanten für das friedliche Miteinander von Deutschen, Italienern und Ladinern. Der Ausgleich und die Machtteilung zwischen den Sprachgruppen basiert auf der Beteiligung aller ethnischen Gruppen am politischen Entscheidungsprozess, auf einem hohen Grad an Autonomie für jede Sprachgruppe besonders in der Kultur- und Bildungspolitik, dem so genannten Proporzprinzip als Grundregel der politischen Vertretung, der Personalaufnahme in den öffentlichen Dienst und der Verteilung bestimmter öffentlicher Ressourcen (z.B. Gelder für die Kultur oder den sozialen Wohnbau) und dem Minderheitenveto als letztem Mittel zur Verteidigung von grundlegenden Interessen der eigenen Sprachgruppe. Der Pariser Vertrag, die italienische Verfassung, und das Zweite Autonomiestatut sind die rechtlichen Grundlagen der Südtirol-Autonomie.

Der Pariser Vertrag (1946)

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wird Südtirol erneut Italien zugeschlagen. Die Siegermächte machen allerdings zur Bedingung, dass die österreichische Minderheit umfassend geschützt werden muss. Ergebnis dieser Bedingung ist das Gruber-Degasperi-Abkommen, genannt Pariser Vertrag, zwischen Italien und Österreich, in dem die Grundzüge der Autonomie definiert werden. Der Vertrag bildet die internationale Grundlage der Südtirol-Autonomie.

Die italienische Verfassung (1948)

Der Minderheitenschutz ist in Artikel 6 der italienischen Verfassung festgeschrieben.

Das Zweite Autonomiestatut (1972)

Mit dem Zweiten Autonomiestatut bekommt Südtirol de facto den Status einer Region im italienischen Staatsverband, deren legislative und administrative Autonomie allerdings weit über die Zuständigkeiten einer Region mit Normalstatut hinausreicht. Das so genannte „neue Autonomiestatut“ von 1972 bildet heute die Grundlage des Minderheitenschutzes in Südtirol. Es wurde am 10. November 1971 vom italienischen Parlament beschlossen und trat am 20. Jänner 1972 in Kraft. Die Bezeichnung „Paket“ erhielt das Statut aufgrund der vielen enthaltenen Maßnahmen zugunsten der Bevölkerung Südtirols. Diese sollten ursprünglich innerhalb von zwei Jahren, also bis 1974, wirksam werden; tatsächlich aber dauerte es noch bis 1992 zur vollständigen Umsetzung. Erst daraufhin wurde mit der Abgabe der sogenannten Streitbeilegungserklärung vonseiten Österreichs gegenüber Italien am 11. Juni 1992 der zu Beginn der 60er Jahre vor der UNO aufgeworfene Südtirol-Streit formell beendet.
Im Sinne einer dynamischen und damit ausbaufähigen Autonomie wurden auch nach 1992 weitere Befugnisse - meist im Delegierungswege - auf das Land Südtirol übertragen ebenso wie bestehende Durchführungsbestimmungen ergänzt und verbessert wurden.

Die Verfassungsreform

Änderungen brachte die Verfassungsreform des Jahres 2001. Auf Grund fehlender politischer Rahmenbedingungen aber vor allem in Ermangelung einer Einvernehmensbestimmung in der damaligen Schutzklausel, wurde das Autonomiestatut nach der Verfassungsreform 2001 nicht angepasst. Die Folge der Nichtanpassung waren nachteilige Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes, die die Autonomie Südtirols beeinträchtigt haben.
Nun steht in Italien möglicherweise eine weitere Verfassungsreform an. In der Schutzklausel ist dieses Mal festgeschrieben, dass das Autonomiestatut nur im Einvernehmen angepasst werden kann. Ziel ist es, bei der Anpassung wiederherzustellen, was durch die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes in den letzten Jahren verloren gegangen ist und die eine oder andere Kompetenz zusätzlich herauszuverhandeln.

Finanzierung der Autonomie

Der Südtiroler Landeshaushalt beläuft sich auf derzeit rund 6 Milliarden pro Jahr. Er speist sich aus den Steuereinnahmen, die innerhalb Südtirols erwirtschaftet werden. Von diesen Einnahmen verbleiben neun Zehntel im Land, das verbleibende Zehntel wird an Rom abgetreten.
Mit den Geldern aus dem Landeshaushalt wird – anders als in anderen Regionen Italiens – eine ganze Reihe von Zuständigkeiten finanziert, darunter das gesamte Bildungssystem vom Kindergarten bis zur Universität, das Gesundheits- und Sozialwesen sowie die Verwaltung des gesamten Netzes von Staats- und Landesstraßen. Diese Zuständigkeiten bilden auch die größten Ausgabenposten, allen voran das Gesundheits- und Sozialwesen (mit rund 1,7 Milliarden Euro), Bildung und Kultur (rund 1 Milliarde Euro), die Verwaltung (rund 500 Millionen Euro) sowie die Finanzierung der Gemeinden (mit rund 500 Millionen Euro).


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Autonomie-Timeline

Südtirols Zeitgeschichte

10.9.1919

Mit dem Friedensvertrag von Saint Germain wird das Tirol südlich des Brenners zu Italien geschlagen. England und Frankreich haben bereits im Londoner Vertrag von 1915 Italien die Brennergrenze zugesichert für dessen Kriegseintritt an der Seite der westlichen Alliierten. Der amerikanische Präsident Wilson, der an diese Zusage nicht gebunden ist, stimmt nach längerem Zögern auch der Zerreißung Tirols zu. Italien erhält im Friedensvertrag keinerlei Auflage für den Schutz der deutschen und slowenischen Minderheiten. König Viktor Emanuel sichert in seiner Thronrede am 1. Dezember 1919 den neuen Provinzen „sorgfältige Wahrung der lokalen Institutionen und der Selbstverwaltung” zu. Doch gewährt auch das vorfaschistische Italien den Südtirolern keinerlei autonome Rechte.

22.6.1939

In Berlin wird das deutsch Italienische Abkommen zur Umsiedlung der Südtiroler geschlossen. Sie können bis zum 31. Dezember 1939 für die deutsche Staatsbürgerschaft optieren mit der Verpflichtung der Auswanderung oder für die Beibehaltung der italienischen mit der Drohung, dass sie keinen Schutz für ihr Volkstum mehr in Anspruch nehmen könnten. Wer nicht optiert, bekennt sich zur Beibehaltung der italienischen Staatsbürgerschaft.
Verlässlichen (privaten) Quellen zufolge haben sich von den 246.036 Optionsberechtigten der heutigen Provinz Bozen mit dem Unterland 211.799 für die deutsche Staatsbürgerschaft entschieden und 34.237 für die Beibehaltung der italienischen. Die Option hat im Volk jahrzehntelang eine tiefe Kluft gerissen. Die Minderheit der Nichtoptanten, der Dableiber, war schweren Anfeindungen und Übergriffen von Seiten der Optantenmehrheit ausgesetzt. Von den Optanten für Deutschland sind 75.000 abgewandert.

Mai 1945

Die Oberbefehlshaber der deutschen Streitkräfte in Italien unterzeichnen ohne Wissen des deutschen Hauptquartiers mit den Alliierten einen Waffenstillstand zum 30. April. Sie ersparen damit den Tirolern südlich und nördlich des Brenners den Bombenhagel der alliierten Luftwaffe. Diese hätte Süd und Nordtirol in Trümmer gelegt, falls die Deutschen auf Hitlers wahnwitzigem Plan der Verteidigung einer „Alpenfestung” bestanden hätten. In den ersten Maitagen rücken die Alliierten in Südtirol ein.

5.9.1946

Am 1. Mai 1946 weisen die Außenminister der vier Großmächte (Vereinigte Staaten, England, Frankreich und Sowjetrussland) die österreichische Forderung einer Volksabstimmung in Südtirol endgültig ab. Am 24. Juni lehnen sie auch den Antrag auf kleine Grenzberichtigungen ab. Auf Drängen der Westmächte kommt es am Rande der Pariser Friedenskonferenz aber wenigstens noch zum Abschluss eines Schutzvertrages für das neuerdings Italien überantwortete Südtirol. Das Abkommen wird vom italienischen Ministerpräsidenten Alcide Degasperi und dem österreichischen Außenminister Dr. Karl Gruber geschlossen. Nach dem Namen der beiden Unterzeichner wird es vielfach Gruber-Degasperi-Abkommen genannt. Das – in Südtirol unter dem Namen „Pariser Vertrag“ bekannte – Abkommen sichert den Südtirolern besondere Maßnahmen zur Erhaltung des Volkscharakters sowie der wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung zu. Dazu zählen Schulen in der Muttersprache, Gleichstellung der deutschen Sprache, Gleichberechtigung bei der Einstellung in den öffentlichen Dienst, Revision der Option von 1939, Anerkennung von Studientiteln, erleichterter Warenaustausch zwischen Nord- und Südtirol und als wichtigste Klausel die Gewährung einer Autonomie an die Bevölkerung der Provinz Bozen. Das zweiseitige italienisch-österreichische Südtirolabkommen wird als integrierender Bestandteil in den Friedensvertrag der Alliierten mit Italien aufgenommen. Mit dieser Einfügung ist Südtirol für alle Zukunft eine internationale Frage geworden.

31.1.1948

Die italienische verfassunggebende Nationalversammlung genehmigt am 31. Jänner 1948 das erste Autonomiestatut. Darin sind die beiden Provinzen Bozen und Trient zu einer Region Trentino-Südtirol mit einem regionalen Parlament und einer Regionalregierung zusammengeschlossen worden. Diese Koppelung erfolgt ohne die im Pariser Vertrag ausdrücklich vorgesehene Befragung deutscher Vertreter. Die Selbstverwaltung liegt also in den Händen der italienischen Mehrheit des Trentino. Für die Provinz Bozen fällt nur eine ganz bescheidene Unterautonomie ab.

6.10.1956

Österreich hat bereits ab Beginn der fünfziger Jahre mehrmals in Rom Beschwerde geführt wegen der mangelhaften Durchführung des Pariser Vertrages. Mit Erlangen des Staatsvertrages im Mai 1955 wird Österreich endlich außenpolitisch voll handlungsfähig. Österreich ist nun nicht mehr ein von den allierten Mächten besetztes Gebiet, sondern ein souveräner Staat.
Bereits am 6. Oktober 1956 übermittelt das Wiener Außenministerium eine Note an die italienische Regierung, in der alle Beschwerdepunkte dargelegt werden und Italien zu Verhandlungen aufgefordert wird. Italien erklärt sich aber nur zu unverbindlichen „Gesprächen” bereit. Verhandlungen lehnt Rom mit der Behauptung ab, dass das Pariser Abkommen auch in Bezug auf die Autonomie durchgeführt sei und damit Österreich das Recht verloren habe, sich in der Frage amtlich einzuschalten.

21.9.1959

Der österreichische Außenminister Dr. Bruno Kreisky kündigte in der Vollversammlung der Vereinten Nationen an, dass Österreich die nächste UNO-Vollversammlung im Herbst 1960 ersuchen werde, sich mit der Südtirolfrage zu befassen, falls in der Zwischenzeit die italienisch-österreichischen „Gespräche” kein Ergebnis zeitigen sollten. Da keinerlei Fortschritte erzielt wurden, ließ Österreich das Südtirolproblem auf die Tagesordnung der 15. UNO-Vollversammlung setzen.

31.10.1960

Nach 14-tägiger Debatte im Politischen Sonderausschuss genehmigte die Vollversammlung der Vereinten Nationen einstimmig eine Entschließung zur Südtirolfrage. In der Resolution wird der Artikel 1 des Pariser Abkommens als Zweckbestimmung des gesamten Vertrages festgelegt, so dass auch der Artikel 2, betreffend die Autonomie, unter dem Gesichtspunkt des Schutzes des Volkscharakters und der kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklung der Südtiroler zu behandeln ist und Österreich zweifelsohne auch in diesem Punkt ein Mitspracherecht hat.

1.9.1961

Der italienische Ministerrat setzt die Neunzehnerkommission ein. Ihr wird die Aufgabe übertragen, die Südtirolfrage unter allen Gesichtspunkten zu studieren und der Regierung Vorschläge zu unterbreiten. Sie setzt sich aus sieben Südtirolern, einem Ladiner und elf Italienern zusammen. Die 19er-Kommission muss auch in Zusammenhang mit der Feuernacht in Südtirol vom 11. Juni 1961 gesehen werden, in welcher Dutzende von Masten der Hochspannungsleitungen in die Luft gesprengt worden sind. Die Anschläge, bei welchen man peinlichst auf Schonung von Menschenleben bedacht ist, rücken Südtirol in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der europäischen Öffentlichkeit, der Italien Rechnung tragen muss.

20.1.1972

Das neue Autonomiestatut tritt am 20. Jänner 1972 in Kraft. Damit das Land die Zuständigkeiten in den Sachbereichen, welche ihm das Statut zuerkennt, auch übernehmen kann, müssen Durchführungsbestimmungen erlassen werden.
Sie werden von einer Sechserkommission erarbeitet, wenn es sich um Befugnisse des Landes handelt, und von einer Zwölferkommission, wenn sie beiden Provinzen oder der Region Trentino-Südtirol zustehen. Die Kommissionen unterbreiten ihre Vorschläge der Regierung. Wenn sich diese die Vorschläge zu eigen macht, werden sie mit Dekret des Präsidenten der Republik in Kraft gesetzt.
Diese Durchführungsbestimmungen hätten laut Statut bis Jänner 1974 erlassen werden müssen. Der Termin von zwei Jahren wurde mit Einverständnis der Südtiroler Vertreter überschritten, weil die Materie zu umfangreich und zu kompliziert war, als dass man sie in dieser kurzen Zeitspanne hätte erledigen können.

30.1.1992

Die römische Regierung unter Ministerpräsident Giulio Andreotti genehmigt die noch ausstehenden vier wichtigen Durchführungsbestimmungen. Nur wenige Stunden später erklärt Ministerpräsident Andreotti in seiner Rücktrittserklärung vor dem römischen Parlament das „Paket” für erfüllt, wobei er gleichzeitig klarstellt, dass zukünftige Änderungen nur mit Zustimmung der Südtiroler Bevölkerung vorgenommen werden. In den Monaten zuvor waren in teilweise hitzigen Debatten im römischen Parlament die beiden wichtigen Gesetze (Senatswahlkreise und Oberlandesgericht) verabschiedet worden.

22.4.1992

Der österreichischen Botschaft in Rom wird vom römischen Außenministerium eine Note übermittelt. Mit der Übergabe dieser Begleitnote wird der Prozess zur Abgabe der Streitbeilegungserklärung vor der UNO in Gang gesetzt. Zumal in dieser Note der römischen Regierung ein klarer Zusammenhang zwischen der Verwirklichung der Südtiroler Autonomie und der Zielsetzung des Sprachminderheitenschutzes und ein ausdrücklicher Verweis auf den „Pariser Vertrag” von 1946 enthalten sind, wird einer langjährigen Forderung der SVP nach einer internationalen Verankerung und Einklagbarkeit vor internationalen Rechtsinstanzen entgegengekommen.

11.6.1992

An diesem Tag wird mit der Abgabe der Streitbeilegungserklärung der formelle Abschluss der Südtirol-Verhandlungen vollzogen.

25.10.2000

Das italienische Parlament genehmigt nach zweifacher Lesung in Kammer und Senat das Verfassungsgesetz zur Reform der Statute der Regionen und Provinzen mit Sonderstatut. Damit werden die beiden Länder Südtirol und Trentino gegenüber der Region wesentlich aufgewertet; zudem werden u. a. den Ladinern in Südtirol und im Trentino wesentliche Schutz- und Vertretungsrechte eingeräumt sowie die Möglichkeit der Berufung von Mitgliedern der Landesregierung von außen geschaffen.

08.03.2001

Im römischen Senat erfolgt die endgültige Verabschiedung des Föderalismus-Verfassungsgesetzes, das allerdings erst nach dem positiven Ausgang einer am 7. Oktober 2001 abgehaltenen Volksbefragung am 9. November 2001 in Kraft treten kann. Diese Verfassungsänderung sieht u.a. den Wegfall des römischen Sichtvermerkes für die vom Landtag genehmigten Landesgesetze vor, ebenso wie die Ausweitung der primären Gesetzgebungsbefugnis des Landes und auch die Einfügung des Begriffes „Südtirol“ in die italienische Verfassung.

30.11.2009

In Mailand unterzeichnen Landeshauptmann Luis Durnwalder und die Minister Giulio Tremonti sowie Roberto Calderoli ein Abkommen, das die Finanzierung der Südtiroler Autonomie auf neue Beine stellt. Mit dem „Mailänder Abkommen“ rücken gesicherte Einnahmen („Neun Zehntel auf alles“) an die Stelle der bisher stets unsicheren und umstrittenen variablen Anteile an der Finanzierung. Festgeschrieben wird zudem, dass sich Südtirol und das Trentino am Sparkurs der Regierung beteiligen, indem sie diese durch die Übernahme weiterer Kompetenzen entlasten und Ausgleichszahlungen für Grenzgemeinden tätigen.

25.5.2010

Altlandeshauptmann Silvius Magnago stirbt 96-jährig in Bozen. Magnago gilt als Vater der Südtiroler Autonomie, war von 1960 bis 1989 Landeshauptmann und hat in dieser Zeit Südtirol politisch wie administrativ gefestigt. Ihm kommt auch das Verdienst zu, in seiner Amtszeit stets das friedliche Zusammenleben der Sprachgruppen im Land gefördert und mit Südtirol den Weg hin zu Wohlstand und Entwicklung eingeschlagen zu haben.

14.6.2011

Auf Schloss Thun am Nonsberg unterzeichnen die drei Landeshauptleute Luis Durnwalder (Südtirol), Lorenzo Dellai (Trentino) und Günther Platter (Bundesland Tirol) den Gründungsakt des Europäischen Verbunds territorialer Zusammenarbeit (EVTZ) mit Namen “Euregio Tirol-Südtirol-Trentino“. Der EVTZ gilt als institutioneller Arm der Euregio, ist mit einer eigenen Rechtspersönlichkeit ausgestattet und damit auch imstande, für die drei Länder aktiv zu werden. Als Schlüsselbereiche der Tätigkeit des EVTZ gelten die Entwicklung des Grünen Korridors entlang der Brennerachse, die Zusammenarbeit in Gesundheitswesen und Wirtschaft sowie die Kooperation der Forschungseinrichtungen.

09.01.2014

Nach knapp über 9000 Tagen im Amt des Landeshauptmanns und damit als einer der dienstältesten Regierungschefs in Europa ist Durnwalder mit der Wahl seines Nachfolgers Arno Kompatscher in den politischen Ruhestand getreten. Zurückblickend nennt Durnwalder vier Ziele, die er im Laufe seiner Karriere verfolgt habe: den Ausbau der Autonomie, die ethnische Aussöhnung, die (auch wirtschaftliche) Entwicklung des Landes sowie die Öffnung nach Europa.

15.10.2014

Planungssicherheit durch eine Fixbeteiligung an der staatlichen Zinsbelastung, die Umkehrung des bisherigen Steuer-Inkassoprinzips und Rechtssicherheit durch die Einbeziehung Österreichs: Das sind die Eckpunkte des von Landeshauptmann Kompatscher mit den Regierungsvertretern Pier Carlo Padoan, Graziano Delrio, Gianclaudio Bressa und Maria Carmela Lanzetta in Rom ausverhandelten Sicherungspakts.
Der Sicherungspakt sieht vor, dass sich Südtirol mit einem Fixbetrag an der jährlich von Italien zu tragenden Zinslast beteiligt, und zwar mit 0,6 Prozent oder umgerechnet 476 Millionen Euro. Diese Beteiligung schließt aus, dass der Staat willkürlich weitere Gelder einbehält, wie er das in den vorangegangenen Jahren getan hat. Der Sicherungspakt wird durch einen Briefwechsel zwischen der italienischen mit der österreichischen Regierung außerdem auf eine völkerrechtliche Ebene gehoben. Dazu hat sich die italienische Regierung im Vertrag selbst verpflichtet, und zwar unter Hinweis auf die Streitbeilegungserklärung von 1992. Somit geht auch diese Finanzregelung unter den Schutz des internationalen Rechtes bzw. die Schutzfunktion Österreichs.

12.10.2015

EU-Bürger und Nicht-EU-Bürger können ebenso wie alle Südtiroler im Verkehr mit der öffentlichen Verwaltung und den Gerichtsbehörden in Südtirol zwischen der italienischen und deutschen Sprache wählen. Dies wird in einer Durchführungsbestimmung zum Autonomiestatut festgeschrieben, die der Ministerrat in Rom in Anwesenheit von Landeshauptmannstellvertreter Richard Theiner genehmigt hat.

13.10.2015

Der Senat verabschiedet in dritter Lesung und damit endgültig die Verfassungsreform, die dann an die Abgeordnetenkammer weitergeleitet wird. Die Reform ist weitreichend und bedeutet eine grundlegende Umarbeitung der verfassungsrechtlichen Grundlage Italiens.

Trotz der zentralistischen Grundausrichtung stimmen Südtirols Senatoren für die Reform, weil es nach langen Verhandlungen gelungen ist, eine Schutzklausel für Südtirol einzubauen. Neben Südtirol wird damit allen autonomen Regionen und Provinzen eine Sonderrolle zugestanden. Für alle Sonderregionen tritt die Verfassungsreform nicht sofort in Kraft, sondern erst nach Überarbeitung der Autonomiebestimmungen, wobei diese nur mit deren Zustimmung vorgenommen werden kann. Südtirols Autonomiestatut ist also so lange rechtskräftig, bis es im Einvernehmen zwischen Staat und Land überarbeitet worden ist. Dies geschieht wiederum mit einem Gesetz von Verfassungsrang.


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