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Themenabend zu 40 Jahre Neue Autonomie - Neue Ära beleuchtet

40 Jahre alt wurde in diesem Jahr das Zweite Autonomiestatut. Grund genug für die Landesregierung, die 1972 begonnene neue Ära der Südtirol-Autonomie von drei Historikern beleuchten zu lassen. Gestern (31. Mai) Abend haben deshalb Hans Karl Peterlini, Christoph von Hartungen und Giorgio Mezzalira bei einem Themenabend in Bozen die Entwicklung von Politik und Gesellschaft unter die Lupe genommen.

Haben 40 Jahre Autonomie beleuchtet: (v.l.) Christoph von Hartungen, Giorgio Mezzalira und Hans Karl Peterlini (Foto: Pertl)

Auf Einladung der Landesregierung und organisiert vom Südtiroler Landesarchiv wurde gestern Abend an der Eurac über die Autonomieentwicklung in den letzten vier Jahrzehnten diskutiert: über die Auswirkungen auf Politik und Gesellschaft, auf Wirtschaft und ethnisches Zusammenleben. Eingeleitet wurde der Themenabend, dessen Aufhänger das 40-Jährige des Zweiten Autonomiestatuts sowie das 20-Jährige der Streitbeilegung war (daher das Motto "72:92:12"), von den Kulturlandesräten Sabina Kasslatter Mur und Christian Tommasini.

Kasslatter Mur betonte dabei, dass ein Blick in die Geschichte helfe, die Hürden zu verstehen, die überwunden worden seien und so auch würdigen zu können, was erreicht worden sei. "Mit dem Zweiten Autonomiestatut hat man ein komplexes System geschaffen, dessen Wert mittlerweile weltweit Anerkennung findet, mit der Streitbeilegung hat man das Autonomiegebäude fertiggestellt", so die Landesrätin gestern. Gleichzeitig betonte Kasslatter Mur, dass die Autonomie eine dynamische sei: "Wir haben ein ausgezeichnetes Instrument in Händen, das allerdings stetig an die Entwicklung angepasst werden muss."

Auch Landesrat Tommasini schlug gestern in die selbe Kerbe. "Wenn wir unsere Zukunft planen wollen, müssen wir zunächst über die Geschichte und all das nachdenken, was in den letzten 40 Jahren passiert ist", so der Landesrat. Das Zweite Autonomiestatut habe sich als ein Erfolgsmodell in Sachen Entwicklung und Zusammenleben erwiesen. "Und es ist erfreulich, dass sich auch die Italiener in diesem Land immer stärker als Teil dieser Autonomie fühlen", so Tommasini. Ziel sei, Südtirols Rolle als Brücke zwischen zwei Sprach- und Kulturräumen weiter zu verankern.

Den Weg hin zum Zweiten Autonomiestatut zeichnete gestern Christoph von Hartungen nach. Er erinnerte daran, dass die Wurzeln der Konflikte in Südtirol allesamt in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu suchen seien: "Wir lassen uns stärker von 20 Jahren Faschismus und Nationalsozialismus beeinflussen, als von 70 Jahren Autonomie", so von Hartungen, der an die großen Spannungen erinnerte, die sich auch nach dem Pariser Vertrag zwischen Bozen und Rom aufgebaut hätten: so habe die Mobilisierung der Bevölkerung und deren Höhepunkt, die Großkundgebung auf Schloss Sigmundskron 1957, den Druck weiter erhöht, letztendlich sei aber trotz der darauf folgenden Bombenjahre der Dialog nie zum Erliegen gekommen.

Von Hartungen betonte allerdings auch, dass das Zweite Autonomiestatut nicht auch ein Ende der Probleme zwischen Bozen und Rom mit sich gebracht habe. Vielmehr habe es vor allem in den ersten Jahren nach seiner Verabschiedung eine Reihe von Verzögerungen, Protesten und weiteren Attentaten gegeben. Letztendlich hätte sich der Verhandlungsweg allerdings durchgesetzt. "Jetzt haben wir eine umfassende Autonomie, um die man uns auch beneidet, was den Südtirolern aber noch fehlt, ist ein ,Patriotismus' für die Autonomie", so der Historiker gestern. 

Mit "Südtirols Autonomiekindern", der "Generation 72" befasste sich gestern Hans Karl Peterlini. Er betonte, dass das Zweite Autonomiestatut "zwar nachträglich als großer politischer Wurf betrachtet werden kann, in seinen Inhalten aber sehr lebensweltbezogen und detailreich war". Und: "Das Autonomiestatut war von Anfang nicht sehr sexy, es hat verlangt, dass die großen Träume verabschiedet werden zugunsten des Ärmelhochkrempelns", betonte Peterlini. Er erinnerte an die auch Jahre nach Verabschiedung des Statuts harten Kämpfe mit Rom, die sich nun vorwiegend an verwaltungstechnischen Fragen entzündeten, und ging auch auf das Bestreben ein, in den Anfangsjahren der neuen Autonomie eine Südtiroler Identität zu begründen. Ein Bestreben, das auch mit einem "Schock" für die Italiener einherging, die erstmals Privilegien in Südtirol abgeben mussten (etwa bei der Besetzung von Staatsstellen).

Peterlini betonte, dass "das Autonomiestatut auch deshalb ein Friedensinstrument (war), weil für alle genug zum Verteilen da war". Nun müsse es sich auch in magerer werdenden Zeiten bewähren. Oder: "Vielleicht bräuchte es ein drittes Autonomiestatut - nach dem ersten, das ein staatliches Täuschungsmanöver war, nach dem zweiten, das die Wiedergutmachung anstrebte, könnte das dritte nach vorne weisen: die Erhebung Südtirols zur kleinen Schweiz, mit mehreren Sprachgruppen und einer gemeinsamen Identität als ,Südtiroler'", so Peterlinis Vorschlag.

Das Spannungsverhältnis zwischen dem Minderheitenschutz und einer Politik für das ganze Land nahm gestern Abend Giorgio Mezzalira unter die Lupe. Er unterstrich, dass es bei der Umsetzung des neuen Autonomiestatuts zunächst darum gegangen sei, Ungleichheiten in Südtirol auszugleichen, seien diese nun sozialer, wirtschaftlicher oder ethnischer Natur. Dazu gehörte nicht nur der wirtschaftliche Aufbau in den Tälern, sondern erstmals auch der Landschaftsschutz, der damals noch in erster Linie als Schutz von Identität und eigener Kultur gesehen worden sei. Von den Italienern in Südtirol seien die Anfänge der neuen Ära des Zweiten Autonomiestatuts als eine Phase der Unsicherheit erlebt worden, so Mezzalira: "Die italienische Sprachgruppe, wenig vorbereitet auf die Neuheiten, die das Zweite Autonomiestatut mit sich brachte, hat die Autonomie mehr hingenommen, denn mitgestaltet."

Nach Abgabe der Streitbeilegungserklärung habe sich die Südtiroler Politik ein weiteres Mal neu orientiert, glaubt der Historiker. Man habe Südtirol zu modernisieren versucht, eine dynamische Wirtschaft und Gesellschaft zum Ziel gehabt. Die Autonomie habe das Rüstzeug geliefert, um ethnische Spannungen abzubauen und allen Sprachgruppen Entwicklungsperspektiven zu bieten, so Mezzalira. Er betonte gestern auch, dass es nun darum ginge, die Beziehungen zwischen den Sprachgruppen zu stärken, das Gemeinsame hervorzukehren und so das Vertrauen in die Autonomie von allen Seiten zu stärken.

chr

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