Kulturgüter in Südtirol

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Authentic News of Invisible Things

Ed. 2/5

Zwei Farb- und Schwarzweißvideos mit Ton.

Beim ersten Video handelt es sich um das Reenactment eines Fotos, welches die Künstlerin im Internet gefunden hat: es zeigt eine Gruppe von Menschen, die nach Kriegsende um einen in einer französischen Stadt zurückgelassenen Panzer auf Holz herum stehen. Rä di Martino hat das Foto in Bozen präzise als Tableau viviant nachgestellt. Sie hat den Panzer in seinen realen Maßen nachbauen lassen und um ihn herum Komparsen gestellt, die Kleider tragen wie die Personen auf dem Foto und hat alles filmen lassen.

Beim zweiten Video handelt es sich um ein Hybrid zwischen Performance und Dokumentation. Die Künstlerin hat ohne Ankündigung einen echten Panzer durch das Zentrum Bozens fahren lassen. Der Panzer hat nur eine kurze Strecke zurückgelegt: er ist immer wieder stehen geblieben, um auch dem zerstreutesten Passanten seine Präsenz deutlich zu machen. Das Ganze wurde von verschiedenen verborgenen Kameras aufgenommen.

Es exisitiert auch eine dritte Version, welches Szenen der beiden oben genannten Videos in einem einizigen Video kombiniert.

Courtesy galleria Monitor, Rom und Copperfield Gallery, London
Regie und Montage: Rä di Martino
Bildregie: Alessandro Chiodo
Live Aufnahmen: Francesco Elipanni, Francesco Ippolito, Hilario Isola, Sebastiano Mauri
Assistenten: Stefano Lisci, Jacopo Niccoli
Bühnenbild: Giuseppe Prinzo
Produktion: Museion, Matteo Viglietta spa, NCTM per l'arte, CAP Contemporary Art Projects
Komparsen: Thina Adams, Davide Brancalion, Carla Dalvit, Claudio e Elia Ferremi, Petra Guidi, Francesco Ippolito, Saman Kalantari, Ursula Klammer, Francesca Luzetti, Sara Nicoli, Daniel Obermair, Alessandra Pellitteri, Emilia Pometti, Francesca Premier, Daniela Recca, Cristina Righetti.

Objektbezeichnung:
Audiovisuelles Medium
Inventarnummer:
FCR19
Hersteller:
Martino, Rä di
Sammlung:
Sammlung Stiftung Südtiroler Sparkasse
Datierung:
2014
Dargestellter Ort:
Bozen
Technik:
gefilmt (DVD)
Institution:
Stiftung MUSEION. Museum für moderne und zeitgenössische Kunst Bozen
Maße:
Video 1 Dauer 2 min, 39 sec, Video 2 Dauer 2 min, 48 sec, Video 3 (kombinierte Version) Dauer 5 min, 24 sec
Historische-kritische Angaben:
Wie viel Wahrheit steckt in einer Inszenierung?
Es gibt sie aus Holz oder Leinwand, oft sogar von Hand gemalt. Im Militärjargon nennt man sie dummy tanks, Panzerattrappen, die in den beiden Weltkriegen eingesetzt wurden, um den Gegner zu täuschen und auch heute noch zum taktischen Arsenal gehören. Die Verwendung von dummy tanks stellt eine ungewöhnliche Verbindung zur Illusionsmaschine Kino her: Während man für die Kriegsführung 'Bühnenbilder' mit 'falschen' Panzern einrichtet, greift das Kino auf echtes Kriegsgerät zurück. Dieser faszinierende Kurzschluss von Wirklichkeit und Fiktion ist der Ausgangspunkt für die Arbeit von Rä di Martino, die zwei neue Videos, die in Bozen gedreht wurden, und eine Farbfotografie (Inv.Nr. Museion FCR18) umfasst. Die Aufdeckung der Widersprüche zwischen Wirklichkeit und Fiktion, die Hinterfragung der Geschichte und des kollektiven Gedächtnisses, einerseits der Rückgriff auf historisches Archivmaterial, andererseits und ein Filmset – das sind Elemente, mit denen Rä di Martino arbeitet.
Ein Video stellt ein 1918 entstandenes Archivfoto aus dem Imperial War Museum in London nach, auf dem Zivilisten abgebildet sind, die auf einer Straße eine Panzerattrappe anschauen. Während der Betrachter dieses Fotos in die französische Stadt Lille unmittelbar nach dem Ende des Ersten Weltkriegs versetzt wird, zeigt das Video von Rä di Martino eine Straße in Bozen fast 100 Jahre später, auf der Komparsen in historischen Kostümen ebenfalls einen 'falschen' Panzer betrachten. Die Präsenz der Attrappe hat in dieser inszenierten Situation nichts Verstörendes – auch weil die Schwarz-Weiß-Bilder einen Sicherheitsabstand zwischen dem Betrachter und der komponierten Bilderfolge herstellen. Und es ist genau diese Distanz, die das zweite Video auflöst: Hier sieht man einen echten Panzer im Zentrum von Bozen. Das ist keine Fiktion und hier treten keine Komparsen auf. Die Künstlerin filmt die Reaktionen der Passanten, an denen diese Kriegsmaschine aus Stahl heute vorbeirollt - vielleicht im Bewusstsein der Tatsache, dass Bozen ein Sitz der italienischen Rüstungsschmiede Iveco Defence Vehicle (Iveco DV) ist.
'Wer heute in unseren Städten Kriegsgerät vorbeifahren sieht, denkt sicher nicht daran, dass ein Krieg ausgebrochen ist, auch wenn das in Ländern, die geographisch gar nicht so weit entfernt liegen, durchaus der Fall ist', stellt Rä di Martino fest, als wolle sie andeuten, dass diese Inszenierung auch eine 'andere' Wahrheit vermitteln könnte. Es ist schließlich kein Zufall, dass das Werk den Titel 'Authentic News of Invisible Things' ('Authentische Nachrichten unsichtbarer Dinge') trägt – eine Adaption von Versen des englischen Dichters William Wordsworth. Mit diesem ständigen Wechsel sowohl zwischen Wirklichkeit und Fiktion als auch zwischen Geschichte und Gegenwart erzählt Rä di Martino im Museion historische Ereignisse verblüffend neu.
(Ausstellung "Rä di Martino, Authentic News of Invisible Things", Museion Project Room, 26.09.2014 - 11.01.2015)

 

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