Umgebungen/Circostanze
Ein Fotoessay von Marco Pietracupa zu den Kunstankäufen des Landes 2012–2018
Die Abteilung Deutsche Kultur der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol hat seit 2008 im Rahmen ihrer Fördermaßnahmen den Ankauf von Kunstwerken auf die umfassende Dokumentation des gegenwärtigen künstlerischen Schaffens in Südtirol ausgerichtet. Im Zeitraum 2012 bis 2018 wurden weitere 150 Kunstwerke von 100 Künstlerinnen und Künstlern angekauft, sodass nun annähernd 420 Werke die Grundlage einer reichhaltigen Sammlung bilden, die sich vorwiegend in den Räumen der öffentlichen Verwaltung befinden.
Der Südtiroler Fotograf Marco Pietracupa bietet einen fotografischen Einblick in das Ausstellungsumfeld der Kunstwerke und porträtiert in seinem 58-teiligen Fotoessay Umgebungen/Circostanze das Zusammenspiel von Werken und Standorten zwischen Zufälligkeit und spontaner Inszenierung. Dabei bildet der Gedanke des Arbeitens den Leitfaden: „Arbeiten“ steht sowohl als Synonym für „Werke“ als auch für das Verb „arbeiten“ in Zusammenhang mit den Arbeitsumgebungen der öffentlichen Verwaltung, wo sich die Werke befinden. Entstanden ist eine ein wenig freche und unkonventionelle Erzählung aus dem Büroalltag.
Das Fotoessay, aus dem hier 20 Abbildungen in Form einer virtuellen Ausstellung präsentiert werden, ist Teil des umfangreichen Sammlungskatalogs Arbeiten. Lavori in corso II, der 2020 erschienen ist.
Seit 2013 werden die Objektdaten der Kunstankäufe des Landes Südtirol kontinuierlich im Kulturgüterportal veröffentlicht.
Amt für Kultur
Andreas-Hofer-Straße 18
39100 Bozen
Info Tel. 0471 413360, 413366
Deutsche Kulturabteilung
Informationen zum Katalog
kultur@provinz.bz.it
Europa oder das Römische Reich
Aus dem Projekt "retuschieren". Schulwandkarte des Römischen Reiches, auf welcher alle Aufschriften und geografischen Bezeichnungen vom Künstler mit chinesischer Tusche schwarz übermalt wurden. Auf der Rückseite oben handschriftlich mit Tusche signiert, datiert und bezeichnet: Heinz Mader 2012 - Landkarte - 211 x 197 cm "Europa od. d. römische Reich".
- Objektbezeichnung:
- Gemälde
- Inventarnummer:
- 234882
- Hersteller:
- Mader, Heinz
- Sammlung:
- Kunstankauf, Abteilung Deutsche Kultur
- Datierung:
- 2012
- Material:
- Tusche, Papier
- Technik:
- gezeichnet
- Institution:
- Landesvermögensamt
- Maße:
- Höhe 197 cm, Breite 211 cm
- Schlagwort:
- Sonstiges
- Historische-kritische Angaben:
-
Das Projekt „retuschieren“ aus der Werkserie „Ich bin so frei“ des Künstlers Heinz Mader besteht aus einer Reihe ausgedienter Schulwandbilder und -karten, deren Beschriftungen ganz oder deren Figuren, innerhalb ihrer Konturen, teilweise mit schwarzer Tinte übermalt und verfremdet sind. Die nostalgischen Schulwandbilder gehörten bis weit in das 20. Jahrhundert hinein zur pädagogischen Grundausstattung. Sie waren das Bildmedium mit dem größten Einfluss auf die Sicht der Welt und zugleich Dokumente ihrer Zeit und Anschauungen. Die Übermalungen entspringen einer Strategie der Umdeutung, erzeugen Fehlstellen, schwarze Schatten, die den Realitätsanspruch der typisierenden Darstellungen ungehorsam unterwandern. Sie widersprechen dem Drang zu klassifizieren und zu kategorisieren und lenken die Aufmerksamkeit experimentierfreudig auf das Nicht-Sichtbare, Verborgene, Unscharfe und Heterogene. (Marion Piffer Damiani, in „Arbeiten. Lavori in corso II”, Bozen 2020, S. 134)
Zum Projekt „retuschieren“ wurde Heinz Mader von einem Foto inspiriert, das er 1992 in New York von einem der Zwillingstürme aus aufgenommen hat. Darauf waren eine schwarze Hand und sämtliche Wolkenkratzer Richtung Empire State Building zu sehen. Nach dem 11.11.2001 begann Mader die Innenseiten von Notizbüchern vollständig mit schwarzer chinesischer Tusche zu übermalen. Nicht aus Trauer oder Spott, sondern aus der Lust heraus, sich von vorgegebenen Verpflichtungen zu befreien. Diesen Gedanken der Befreiung setzt Heinz Mader 2012 in seinem Projekt „Ich bin so frei“ mit der teilweisen Übermalung alter, unbrauchbarer Schulwandkarten fort. Das altmodische Bildmaterial hat einen besonderen Reiz, transportiert altbekannte Begriffe, Bilder und Geschichte und erinnert an das überkommene Bildungsgut und -system, das auch stark vom Klerus mit seinen symbolträchtigen schwarz-weißen Habiten geprägt war. Durch den künstlerischen Eingriff entsteht ein Verfremdungseffekt. Der Verzicht auf die gewohnte Wahrnehmung verursacht Schwindelgefühle. Wenn Dinge minimal verändert werden, werden sie lebendig, man weiß nicht mehr, wo man sich befindet, es wird alles fremd. Der freche Eingriff in die „hehre“ Geschichte bringt Frische, wirkt wie eine Auflehnung, eine Befreiung von der strengen, strikten, schwarz-weißen Sichtweise der Dinge. Heinz Mader, der seit vielen Jahren als Lehrer tätig ist, drückt damit auch seine Überzeugung aus, dass Lehrer alles gängige Schulwissen auslöschen sollten, um Schülerinnen und Schüler auf Irrwege und damit auf neue Wege des Erfahrens und Wahrnehmens zu führen. (Heinz Mader im Gespräch mit Alexandra Pan, Juni 2014)
- ‹ Vorherige
- Objekt 3 von 20
- Nächste ›
Ausgewählte Objekte
Kein Objekt vorhanden...