Archivale des Monats
November 2012: Die Sammlung Willi Mai
Im Zuge der Option, bei der 1939 mehr als 85 % der Südtiroler Bevölkerung für eine Umsiedlung nach Deutschland stimmten, ging man daran, das gesamte geistige und materielle Kulturgut des Volkes (bäuerliche Architektur, Trachten, Brauchtum, Volksmusik, Sagen) aufzunehmen, um es auch in der neuen Heimat bewahren zu können. Zu diesem Zweck wurde in Bozen die „Südtiroler Kulturkommission" eingerichtet, eine Zweigstelle der Forschungseinrichtung „Deutsches Ahnenerbe", die sich seit 1935 der geschichtlichen, archäologischen und anthropologischen Erforschung der arischen Rasse widmete. Dr. Friedrich Wilhelm Mai (1911-1945), ein Pfälzer Volkskundler, erhielt den Auftrag zur Sammlung Südtiroler Legenden und Sagen. Unter enormem zeitlichen Druck sammelte Mai von September 1940 bis Mai 1941 im Alleingang circa 2.000 Sagen und Erzählungen vom Brenner bis ins Südtiroler Unterland - dabei waren viele Höfe nur zu Fuß oder im Winter auf Skiern erreichbar. Mit viel Geduld und Feingefühl brachte der Forscher die Gewährspersonen dazu, die ihnen bekannten Sagen und Märchen zu erzählen und fertigte davon Stenogramme an, die er dann einer Sekretärin zur Reinschrift übergab. Einige Wochen lang half er den Kollegen Quellmalz und Bose bei deren Volksliedaufnahmen mit Magnetophongeräten, wobei auch einige Sagen auf Tonband aufgenommen wurden. Im Frühjahr 1941 musste Willi Mai an die Front zurückkehren. Er starb im letzten Kriegsjahr. Da in der ersten Nachkriegszeit kein Interesse an einer Publikation der gesammelten Sagen bestand, verblieb die Sammlung über Jahrzehnte bei der Witwe des Forschers, die sie 1990 der „Gesellschaft für Tiroler Volkskultur" vermachte. Anlässlich der Publikation der Aufzeichnungen durch Leander Petzold im Jahr 2000 wurden die Originaldokumente dem Südtiroler Landesarchiv übergeben. Das Archivale des Monats November ist die maschinenschriftliche Abschrift einer Erzählung über ein verwunschenes Schloss, die Willi Mai im Herbst 1940 in Wangen am Ritten aufgezeichnet hatte.
Evi Pechlaner
KC
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