Archivale des Monats

Karfreitagsprozession 1919 – Die Kirche in Südtirol im ersten Nachkriegsjahr

Archiv Franz Haller, Nr. 242

Das Bild von der Karfreitagsprozession in Meran am 18. April 1919 ist emblematisch für die Situation der Kirche in dem erst wenige Monate zuvor vom italienischen Militär besetzten Südtirol: Die Geistlichkeit der Stadt, Priester und Ordensleute, zieht in langen Reihen durch die Straßen der Altstadt, unter den Andächtigen am Straßenrand finden sich auch einige italienische Soldaten. Das Königreich Italien definierte sich als laizistischer Staat, der von der katholischen Kirche Loyalität einforderte, daher blickte der Klerus in Südtirol nicht ohne Sorge in die Zukunft. Zahlreiche Priester machten aus ihrer Ablehnung keinen Hehl, andere versuchten sich in passivem Widerstand. In einigen Ortschaften kam es 1919 bereits zu ordnungspolitischen Maßregelungen, so etwa gegen die Pfarrer von Margreid und von St. Johann in Ahrn, die wegen angeblich antiitalienischer Predigten belangt wurden. Besonders bei öffentlichen kirchlichen Anlässen und Feiern versuchten die Behörden, ihre Macht zu demonstrieren, indem sie etwa das Hissen von Fahnen oder das Böllerschießen verboten oder Prozessionen gänzlich untersagten. Durch solche Vorkommnisse wurde das Band zwischen Bevölkerung und ihren Priestern in der Regel noch enger. In den zur Diözese Trient gehörenden Landstrichen war man mit der Haltung von Fürstbischof Endrici unzufrieden, da er nach Meinung vieler die Übergriffe des Staates ohne Widerspruch hinnahm. Mit ganz anderen Problemen kämpfte die Diözese Brixen, die den Großteil des Eisacktals, das Wipptal, das Pustertal, Gröden, das Gader- und das Fassatal sowie Teile Vorarlbergs und das Inntal umfasste. Seit der Besetzung Südtirols durch das italienische Heer und der Sperre des Brenners im Oktober 1918 war für die Kurie in Brixen die Verwaltung ihres Nordtiroler Anteils sehr schwierig, die Verbindung zu Innsbruck zeitweise gar gänzlich unterbrochen. Hinzu kam, dass der Bischofsstuhl seit dem Tod von Franz Egger im Mai 1918 vakant war. Das Präsentationsrecht des Kaisers war mit dem Zusammenbruch des Habsburgerreiches hinfällig geworden, und der Papst wollte in den politisch unruhigen Jahren nach dem Ersten Weltkrieg keine vorschnelle Entscheidung treffen. Erst am 29. April 1921 wurde mit dem aus Roppen im Oberinntal stammenden Johannes Raffl ein neuer Bischof bestellt. Auch in den folgenden Jahren blieb die katholische Kirche eine wichtige Verbündete der Bevölkerung in den schwierigen Zeiten des Faschismus und Nationalsozialismus, die sich den totalitären Systemen vielfach mutig entgegenstellte.

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