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Förderung der Industrieproduktion
Bis in die 1960er Jahre war die Südtiroler Wirtschaft stark agrarisch geprägt. Ab den 1970er Jahren konnte Südtirol durch den Bau von ländlichen Gewerbe- und Industriezonen auch im Bereich des sekundären Sektors Boden gut machen.
Bis weit in die 1960er Jahre war die Südtiroler Wirtschaft mit 30 Prozent der Erwerbstätigen noch stark agrarisch geprägt. Für die oftmals nur unzureichend qualifizierte, meist kinderreiche bäuerliche und unterbäuerliche Bevölkerung bedeutete dies vornehmlich: niedriges Einkommen und mangelnde Beschäftigungsmöglichkeiten. Die Folge davon war eine massive Abwanderung von jungen Südtirolerinnen, vor allem jedoch jungen Südtirolern ins deutschsprachige Ausland.
Vorbehalte gegen Industrie
Der Sekundärsektor, der damals in vielen Regionen namentlich Norditaliens ein beträchtliches Wachstumspotential aufwies, hätte hier Abhilfe schaffen können. Doch hatte Südtirol daran nur geringen Anteil, vielmehr war die industrielle Produktion hierzulande Anfang der 1960er Jahren sogar rückläufig: Zum einen rief die Industrie bei der Mehrheit der deutschsprachigen Bevölkerung wegen der politisch geprägten, forcierten faschistischen Industrialisierungspolitik der 30er Jahre negative Assoziationen wach, zum anderen hegten die auf das Bild einer vermeintlich intakten Landschaft bedachten Touristiker Vorbehalte gegen die Ansiedelung neuer Industriebetriebe.
Sobald diese mentalen Barrieren gefallen waren, konnte auch die vergleichsweise schwach entwickelte Südtiroler Industrie dank staatlicher Konjunkturmaßnahmen sowie großzügiger Kredit- und Subventionierung vonseiten der Region beziehungsweise der seit 1972 autonom handelnden Provinz Bozen schrittweise Boden gut machen.
1960: Landesraumordnungsgesetz
Eine weitere wichtige Maßnahme in diesem Zusammenhang war die Verabschiedung eines Landesraumordnungsgesetzes (1960), das die Voraussetzungen für die Ansiedelung von klein- und mittelständischen Produktionsbetrieben erstmals auch in ländlichen Gebieten schuf, mithin die Emigration und Landflucht eindämmte. Zeitgleich setzte ein landesweiter Boom bei der Errichtung neuer Gewerbebauten ein.
Die günstigen strukturellen und personellen Bedingungen, nunmehr auch abseits der städtischen Ballungszentren, lockten ferner das Interesse von (vielfach ausländischen) Investoren. Es entstanden reihum zahlreiche Handwerker-, Gewerbe- und Industriezonen, in denen nicht nur lokale Familienbetriebe ihre Heimstätte fanden, sondern auch global player wie der Spirituosenhersteller Jägermeister in Salurn oder der Hersteller von Befestigungstechnik Würth in Neumarkt. Die in Bruneck tätige deutsch-englische Gemeinschaftsgründung „Birfield Trasmissioni AG“, die Wellen für die Fahrzeugindustrie produzierte, avancierte bis 1972 mit 565 Beschäftigten zum größten ausländischen Arbeitgeber in Südtirol.
Aufstieg des sekundären Sektors
In wenigen Jahrzehnten waren einige Südtiroler Industriezweige von Hinterbänklern zu Musterschülern aufgerückt, namentlich in der Lebensmittel-, Holz- und Metallverarbeitungs- oder Maschinenbranche. Es war aber nicht immer alles Gold, was glänzte, denn einige Unternehmer nutzten die von der öffentlichen Hand gewährten Steuererleichterungen, um auf den schnellen Gewinn zu spekulieren, schlossen jedoch nach kurzer Dauer, besonders während der Wirtschaftskrise Anfang der 80er Jahren wieder die Tore ihrer Produktionshallen.
Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass sich Südtirol in den letzten fünfzig Jahren auch dank der durch die Autonomie bedingten positiven Wirtschaftslage von einem Abwanderungs- zu einem Zuwanderungsland gewandelt hat, in dem bis in die Gegenwart trotz Corona-Krise nahezu Vollbeschäftigung herrscht. Ganz entscheidend dazu beigetragen hat die Industrie, die aktuell einen Anteil von 25 Prozent am Bruttoinlandsprodukt hält.
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