Archivale des Monats
Landschaft im Wandel – Raumordnung und Bauleitpläne
Die Raumordnung beschäftigt sich mit der nachhaltigen Bodennutzung und dem Umweltschutz. Bis in die späten 1950er Jahre ging man in Südtirol zum Teil recht arglos mit der Ressource „Lebensraum“ um. Erst durch die Wahrnehmung der bereits im Ersten Autonomiestatut festgeschriebenen Bereichskompetenzen Anfang der 1970er wurde die private sowie kommerzielle Bautätigkeit vorübergehend in geregelte Bahnen gewiesen.
Bauboom und Zersiedelung
Unter dem Eindruck des enormen wirtschaftlichen Aufholbedarfs setzte nach 1945 ein von der Politik großzügig durchgewunkener Bauboom ein, der von einer Vielzahl der gesellschaftlichen Akteure, angefangen beim privaten Häuslebauer bis hin zum industriellen Großbetrieb, mitgetragen wurde. Aus sozioökonomischer Sicht war dies eine notwendige Entwicklung. Die Schattenseite der Medaille war jedoch, dass der ökologische Aspekt, Natur und Umwelt kaum bis gar nicht Berücksichtigung fanden. Zwischen 1960 und 1980 war in Südtirol nämlich 40 km2 von 450 km2 an effektiv vorhandenem Lebensraum verbaut worden. Anders ausgedrückt: In diesen 20 Jahren war mehr Fläche verbraucht worden als zuvor in 2000 Jahren Siedlungsgeschichte.
Der grand seigneur des Landschaftsschutzes in Südtirol
Eine der Lichtgestalten in Sachen Landschaftsschutz war Landesrat Alfons Benedikter (1918–2010). Er gehörte 1957 bereits zu den Initiatoren des ersten Südtiroler Landschaftsschutzgesetzes. 1970 arbeitete er mit seinen Mitarbeitern das neue Landesraumordnungsgesetz aus, das die Zersiedelung und die extensive Beanspruchung des Lebensraumes – in erster Linie durch die nach Ressourcen lechzende Wirtschaft – eindämmen und regeln sollte. Es sah u. a. vor, dass alle Südtiroler Gemeinden einen Bebauungsplan vorlegen und den Bedarf an Bauflächen für die nächsten zehn Jahre errechnen mussten. Ferner wurde das Bauen in der freien Landschaft, wie es bis dahin möglich und durchaus auch Usus war, nunmehr untersagt.
Aufweichung der Landesraumordnung
Benedikters Vermächtnis wurde Ende der 1980er Jahre zunehmend verwässert. Im Zeitraum zwischen 1988 bis 1997 wurden Baukonzessionen für 36 Millionen Kubikmeter ausgestellt. 1992 erfolgte eine Novellierung des Landesraumordnungsgesetzes von 1970. Martin Schweiggl, langjähriger Direktor des Amtes für Landschaftsplanung, schreibt dazu: „Während man zu Benedikters Zeiten die geltenden Bestimmungen noch auswendig im Kopf behalten konnte, brauchte es später einen dicken Ordner, um sich im Dschungel der verschiedenen Gesetzes- und Durchführungbestimmungen, Kubaturverschiebungen und halbamtlichen Interpretationen bei Widersprüchen einigermaßen zweifelsfrei zurechtzufinden.“
Landesgesetz „Raum und Landschaft“
2018 wurde das Landesgesetz „Raum und Landschaft“ promulgiert, das u. a. den Anspruch erhebt, den Flächenverbrauch wieder einzuschränken. Gerade die aktuelle Diskussion um die touristische Entwicklung Südtirols (Stichwort Bettenstopp) zeigt wie brisant das Thema und wie unterschiedlich die Sichtweisen darauf nach wie vor sind.
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