Archivale des Monats

Genossenschaften – ein Rückgrat von Wirtschaft und Gesellschaft

Ob Sozialgenossenschaft, Konsumgenossenschaft oder ephemere Wohnbaugenossenschaft, Kooperativen prägen unser Leben seit 150 Jahren

Gedruckte Statuten der Sennerei-Genossenschaft Stange, 1912 (SLA, Nachlass Karl Gitzl, Nr. 67)

Mit Genossenschaften werden seit dem späten Mittelalter Personenverbände bezeichnet, deren Mitglieder und Träger gleichen rechtlichen, sozialen, wirtschaftlichen, politischen, kulturellen und/oder religiösen Interessen verpflichtet sind. In vormoderner Zeit prägten Nutzungsgenossenschaften den ländlichen Raum, Städte stellten als Stadtgemeinden selbst Genossenschaften dar. Hier bildeten sich mit den Kaufmannsgilden und Handwerkerzünften eigene innerstädtische Interessenverbände aus.

Erste moderne Genossenschaften in Südtirol

Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde der genossenschaftliche Gedanke neu belebt, es entstanden in rascher Folge Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften. Im heutigen Südtirol entwickelte sich das moderne Genossenschaftswesen in der Landwirtschaft mit etwas Verzögerung, die erste genossenschaftlich verfasste Sennerei wurde 1870 in Mals gegründet; um 1890 entstanden in Welschellen, Schluderns, Brixen und Niederdorf Spar- und Darlehenskassen nach dem System Friedrich Wilhelm Raiffeisens. Weitere Ausdifferenzierungen folgten: 1893 die ersten Kellereigenossenschaften in Andrian, Terlan und Neumarkt sowie die Obstgenossenschaft Algund, 1895 die ersten Viehzuchtgenossenschaften. 1907 wurde mit dem „Verband der landwirtschaftlichen Genossenschaften Deutsch-Südtirols“ eine erste Dachorganisation gegründet.

Faschismus, Option und Krieg

Die faschistische Diktatur griff ab Mitte der zwanziger Jahre auf das Genossenschaftswesen zu, die „Landwirtschaftliche Zentralkasse“ wurde behördlich liquidiert, an die Stelle des Verbands trat der „Consorzio agrario cooperativo dell’Alto Adige“. Option, Abwanderung und Krieg bedeuteten für das Südtiroler Genossenschaftswesen eine weitere einschneidende Schwächung.

Neuanfänge und regionale Kompetenz

Unmittelbar nach dem Krieg wurde ein Neuanfang versucht, am 23. Jänner 1946 in Bozen der „Hauptverband landwirtschaftlicher Genossenschaften“ gegründet. Das Erste Autonomiestatut (Verfassungsgesetz vom 26. Februar 1948, Nr. 5 Art. 4) übertrug die primäre Zuständigkeit der Region Trentino-Tiroler Etschland; die Region wurde mit eigenem Gesetz vom 29. Jänner 1954 Nr. 7 in diesem Bereich gesetzgeberisch aktiv, wobei die Revisionspflicht weitgehend nach dem genossenschaftlichen Prinzip der Selbstkontrolle geregelt wurde.

Seit 2004 Landeszuständigkeit

Die Autonome Provinz Bozen führte im Auftrag der Region über die Abteilung Landwirtschaft die Aufsicht über die Genossenschaften und das Genossenschaftsregister; dazu kam als beratendes Organ die Landeskommission für das Genossenschaftswesen. Mit 1. Februar 2004 ging im Zuge einer Flurbereinigung die Verwaltungsbefugnis für das Genossenschaftswesen von der Region auf das Land über; im April 2004 wurde ein eigenes Amt für die Entwicklung des Genossenschaftswesens errichtet.

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