Archivale des Monats

Eine Kirchturmuhr zum allgemeinen Nutzen

Überlegungen zu Zeit und Geld im Bozen des 17. Jahrhunderts

Archiv des Merkantilmagistrats Bozen, Nr. 3.24.1.

„Remember time is money“, schrieb Benjamin Franklin 1748 in seinem „Advice to a Young Tradesman“. Das Diktum selbst ist vermutlich älter und bezieht sich wohl nicht so sehr auf das heutzutage negativ besetzte Bild eines hektischen Kapitalismus, sondern auf effizientes und sinnvolles Wirtschaften. An diese Bedeutung dachten wohl auch die Bürger und Kaufleute von Bozen, die 1675 eine von den Lauben aus sichtbare Kirchturmuhr finanzieren wollten.
Mechanisch betriebene Uhren, zumeist an Glockentürmen städtischer Kirchen, gab es in Europa bereits seit dem 13. und 14. Jahrhundert, während sich die ländliche Bevölkerung meist noch mit Sonnenuhren begnügen musste. Der Ursprung der mechanischen Zeitmesser ist wohl in den mittelalterlichen Klöstern zu suchen, deren Tagesablauf in Gebetszeiten geteilt und genau geregelt war. Recht schnell jedoch erkannte man den Wert der exakten Zeitbestimmung und der damit einhergehenden Steigerung der Effizienz und Produktivität auch im vor- und frühkapitalistischen urbanen Umfeld.
Doch mechanische, von einem ausgeklügelten Räderwerk angetriebene Uhren mussten regelmäßig gewartet werden und waren in der frühen Neuzeit noch relativ teuer. Ab dem 16. Jahrhundert verbreiteten sich einerseits sogenannte Hausuhren, also Wanduhren, Tischuhren oder Uhren in Holzgehäusen, aber auch Uhren kleineren Formats, etwa Taschenuhren oder an einer Halskette getragene Miniaturuhren, doch waren alle diese Zeitmessinstrumente aufwändig gefertigte Stücke und nur für wohlhabende Personen erschwinglich. Der Durchschnittsbürger oder Handwerker richtete sich noch lange nach dem Glockenschlag der Kirchturmuhr.
So verwundert es nicht, dass die Anrainer des Bozner Dreifaltigkeitsplatzes, des heutigen Rathausplatzes, 1675 an der dortigen Dreifaltigkeitskirche einen neuen Glockenturm mit einer Uhr errichten lassen wollten, die auch von den Lauben aus sicht- und lesbar sein sollte. Da die Bürger dafür jedoch nicht genügend Geldmittel auftreiben hatten können, ersuchten sie den Merkantilmagistrat um einen Beitrag mit dem Hinweis, dass eine solche Uhr von allgemeinem Nutzen und auch für die Abhaltung der Bozner Messen unter den Lauben von Vorteil sei – zwei als Federzeichnungen ausgeführte Entwürfe sollten das mögliche Aussehen des Kirchturmes Demonstrieren.
Der Merkantilmagistrat, das 1635 von der Tiroler Landesfürstin Claudia de’ Medici geschaffene Bozner Messegericht, fungierte zugleich auch als Vertretung der Kaufleute, die sowohl aus Norditalien als auch aus Oberdeutschland nach Bozen zu den jährlichen vier Messen strömten, die Ämter wurden abwechselnd mit deutschen und italienischen Kaufleuten besetzt. Der während der St. Andreas-Messe 1675 amtierende Konsul Andrea Mosconi und die übrigen Mitglieder des Magistrats erkannten wohl den Wert einer solchen Turmuhr für das Geschäftsleben und steuerten 40 Gulden bei. Den Erhalt der Summe quittierte am 18. Dezember 1675 Johann Gumer, selbst ein einflussreicher Bozner Kaufmann.

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