Archivale des Monats
Ein Inventar von 1625 mit der Verlassenschaft des Martin Niedermair zu Moos im Burgfrieden St. Michelsburg
Für zahlreiche Vorgänge im zivilrechtlichen Bereich war und ist die Erstellung von Verzeichnissen der beweglichen und unbeweglichen Güter einer Person, eines Hauses oder Hofes vorgesehen. In Tirol war die Erstellung solcher Inventare (von lateinisch "invenire", also "finden", "entdecken", "vorfinden") für die Gerichtsverwaltungen bereits in der Landesordnung von 1532 vorgeschrieben, vor allem bei Verfahren, deren Folgen zu Änderungen im Besitzstand führten, wie Käufe, Vererbungen, Einantwortungen oder auch Vormundschaften. Es kann daher nicht verwundern, dass Inventare in Tirol seit dem 16. Jahrhundert zahlreich überliefert sind. Begünstigt wurde dieser Befund zudem durch die Einrichtung des Verfachbuchs, wo Inventare immer wieder als Anhang zu Verträgen vorliegen, fallweise finden sich sogar vollständige Bände nur mit Inventaren in den Verfachbuchreihen. Sehr häufig gelangten Inventare als geheftete Papierlibelle in die Registraturen der Gerichte und Landgerichte und wurden später - wohl als Produkt archivarischer Ordnungsarbeit - zu eigenständigen Sammlungen zusammengefasst. Ein Beispiel für solche Sammlungen sind die im Südtiroler Landesarchiv verwahrten Pustertaler Inventare, die zum Großteil aus dem 17. und 18. Jahrhundert stammen und schwerpunktmäßig Bauernhöfe betreffen.
In dieser Sammlung befindet sich ein Inventar, das nach dem Tod von Martin Niedermair zu Moos im Burgfrieden St. Michelsburg im Jahre 1625 vom Landrichter Hans Sader und den beiden Schätzleuten Georg Saumiller und Kaspar Harrasser zu Reiperting erstellt worden ist. Dass die Schätzmänner bei ihrer Tätigkeit nach einem bestimmten Schema vorgegangen sind, zeigt der Aufbau des Inventars: Zunächst wurde das mobile Gut geschätzt ("Varende Haab" bzw. "Varnuß"), es folgen die Schulden und die Immobilien ("Ligent Gueth"), der letzte Abschnitt betrifft die vorhandenen rechtsverbindlichen Schriftstücke ("Briefliche Gerechtigkhaiten").
Dass es sich bei Inventaren um Quellen mit erheblichem Erkenntniswert handelt, liegt vor allem an den Beschreibungen der beweglichen Güter. Von Raum zu Raum schreitend, beschreiben und taxieren die Schätzleute die vorhandenen Gegenstände, wie in einer fotografischen Momentaufnahme wird dem Leser ein Blick gewährt auf die Einrichtung, die Bekleidung und das vorhandene Werkzeug einer fernen Vergangenheit.
Im vorliegenden Beispiel ist die Stube der erste beschriebene Raum, hier befinden sich ein Tisch mit einer Schublade und einem Pfannenknecht, eine Schnellwaage, verschiedene Utensilien zum Backen (Backtrog, Knetbrett, Brotbretter, Nudelbrett und -walker), Gegenstände zur Beleuchtung (Hackenleuchter und Talglicht - Lutschearn), zwei Gartenhacken und eine kleine Schere zum Flicken. In der Schlafkammer wird neben Trinkgefäßen aus Zinn die Gewandtruhe des Verstorbenen beschrieben, die einen braunen Rock mit roter Fütterung, ein ledernes Wams mit grüner und gelber Fütterung, ein Paar Hosen aus Flachs mit Strümpfen und einen Dolch enthält. In den zwei Betten liegt Bettzeug aus unterschiedlichen Textilien, ein Überbett mit einem Bezug aus grobem ("rupfen") und feinem ("harben") Leinen und ein Unterbett (Matratze) aus Drillich und feinem Leinen. In der Küche steht das Gestell zum Kochen über dem offenen Herd ("Hal") und eine Speisetruhe von 10 Fächern.
Als Quellen haben Inventare nicht nur große Bedeutung für die historische und volkskundliche Forschung im Bereich der Alltags-, Wohn- und Arbeitskultur vergangener Jahrhunderte, sondern auch für die Sprachgeschichte: mit dem Verschwinden vieler Gebrauchsgegenstände geraten zunehmend auch die entsprechenden Bezeichnungen in Vergessenheit.
ht
PT
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