Archivale des Monats

Dezember 2011: Anna von Menz, die „Franzosenbraut“

Anna von Menz, die „Franzosenbraut“

Die Geschichte rund um die sogenannte „Franzosenbraut“ Anna oder Annette von Menz nimmt ihren Anfang im September 1811. Bozen gehörte damals zum Königreich Italien unter dem Vizekönig Eugène de Beauharnais, dem Stiefsohn Napoleon Bonapartes.
Anna von Menz war nach dem Tod ihres Vaters im Jahr 1801 und dem Ableben der Mutter 1811 Alleinerbin des umfänglichen Menz-Gumerschen Familienvermögens geworden; dessen Verwaltung oblag bis zu Annas Erreichung der Volljährigkeit einem sechsköpfigen Familienrat.

Annas nicht ganz uneigennützig agierende Gouvernante Madame Nizole stellte der erst Fünfzehnjährigen den französischen Offizier Gaston de Lacroix vor, einen Protégé des Vizekönigs. Das junge Mädchen war vom Baron und dessen kostbaren Geschenken angetan, und als der Vizekönig höchstpersönlich eine Ehe der beiden vorschlug, willigte sie ohne ein. In einem Schreiben an den Vizekönig, bekräftigte Anna ihren Entschluss, de Lacroix zu heiraten.

Der Familienrat war entsetzt und versuchte, die Eheschließung um jeden Preis zu verhindern, da nach dem eben eingeführten Code Napoléon, das gesamte Vermögen der Ehefrau uneingeschränktes Eigentum des Ehemannes geworden wäre. Zunächst musste Anna umgestimmt werden. Nachforschungen ergaben, dass der französische Offizier ein Lebemann und bereits 41 Jahre alt war und sich, unterstützt durch Schminke und Perücke, als wesentlich jünger ausgegeben hatte. Dieser Sachverhalt und die Briefe der Gouvernante, in denen kupplerische Absichten klar zu Tage traten, brachten Anna schließlich dazu, die Heirat abzulehnen.
Der Familienrat verwies auf die schwache Konstitution des Mädchens, die von ärztlichen Gutachten attestiert wurde, und Anna gab offiziell alle Geschenke de Lacroix’ zurück.

Daraufhin verklagte der französisch-italienische Hof den Familienrat auf Ehrbeleidigung, der Ratsvorsitzende Franz von Plattner musste sogar für fünf Monate in Haft. Am 15. November 1811 richtete Anna von Menz das hier vorgestellte Schreiben an Eugène de Beauharnais und bat um Gnade für die Mitglieder des Familienrates. Das Verfahren endete schließlich mit einem Freispruch, doch den Beinamen „Franzosenbraut“ wurde Anna von Menz nicht mehr los.

Die Millionenerbin heiratete 1819 den Grafen Ludwig von Sarnthein, der Ehe entsprangen sieben Kinder. Eine der Töchter wurde später die Frau eines Grafen von Toggenburg, sodass das Menz-Sarntheinsche Vermögen in den Besitz der Familie Toggenburg überging.

Die Briefe und Dokumente zur Episode rund um die verhinderte Heirat der Anna Menz mit Baron de Lacroix sind Bestandteil des „Archiv Toggenburg“, das 1997 vom Eigentümer an das Südtiroler Landesarchiv übergeben worden ist.

Evi Pechlaner

GS