Archivale des Monats

April 2013: Ein Brief der Josepha von Rossi aus dem Cölestinerinnen-Klosters von Gries, 1735

Bestandsplitter Familienarchiv Giovanelli

Brief aus dem Bestandsplitter Familienarchiv Giovanelli

Einen schlaglichtartigen Einblick in die Lebens- und Gedankenwelt einer jungen Novizin des Anunziaten-Cölestinen-Klosters von Gries gewährt ein Brief der 16jährigen Josepha von Rossi an ihre Mutter, in dem sie den 3. September 1735 als den Tag ihrer Profess mitteilt. Es ist ein sehr persönliches Zeugnis einer Frau, von der nur wenige Spuren erhalten blieben, und zugleich die Erinnerung an ein Kloster, das nicht mehr existiert - das Cölestinerinnen-Kloster von Gries beziehungsweise Kloster Rottenbuch.
Den Grundstein  für das Kloster legte 1695 Maria Viktoria Gräfin von Sarnthein, zugleich erste Äbtissin des Klosters, und ihr Bruder Franz Graf von Sarnthein gegenüber dem Ansitz Rottenbuch, der seit 1610 im Besitz der Familie Sarnthein war. Heute beherbergt er das Denkmalamt der Provinz Bozen.
Fünf Jahre später konnten die ersten Nonnen in den neu erbauten Gebäudekomplex einziehen. Sie gehörten dem Orden der Verkündigung Mariens an und lebten nach der Regel des heiligen Augustinus. Zum Klosterkomplex mit Kreuzgang und angebauter Kirche gehörten auch verschiedene Wirtschaftsgebäude und ein Weingut. Den Unterhalt sicherten die Stiftungskapitalien und großzügige Zuwendungen, die im Laufe der Zeit folgten.
Da es sich um einen rein kontemplativen Orden handelte, teilte das Cölestinerinnen-Kloster von Gries Ende des 18. Jahrhunderts das Schicksal so vieler österreichischer Klöster unter der Regierung Josephs II.: 1782 wurde den Nonnen der Beschluss zur Aufhebung des Klosters übermittelt, das gesamte Klostervermögen sollte in den neu gegründeten Religionsfonds fließen. Bis 1786 durften die Nonnen im Kloster verbleiben, dann wurde ihnen ein Trakt des aufgelassenen Dominikanerklosters zugewiesen, den sie aber im Mai 1796 verlassen mussten, da dasselbe in eine Kaserne umgewandelt wurde. Die ehemaligen Nonnen übersiedelten daraufhin in den Ansitz Payrsberg - ihr weiters Schicksal ist nicht bekannt.
Maria Josepha Hyacintha Rossi de Sancta Juliana, die 1735 in das Cölestinerinnenkloster von Gries eingetreten war, erlebte noch die Aufhebung des Klosters und die anschließende Übersiedelung der Nonnen nach Bozen. Ihr Name erscheint in einer Petition von 1790, die neunzehn ehemalige Cölestinerinnen an den Kaiser richteten. Die Petition wurde jedoch abgelehnt.
Josepha von Rossi starb am 8. Jänner 1796 in der provisorischen Unterkunft im ehemaligen Dominikanerkloster von Bozen. Sie hat die zweite Vertreibung der Nonnen im Mai 1796 nicht mehr miterleben müssen.
Die Klostergebäude und die Klosterkirche in Gries beherbergten in der Folge Mietwohnungen, einen Buschenschank, eine Seidenspinnerei, ein Spital und eine Bierbrauerei.
Als in den 1930er Jahren um das neu erbaute Siegesdenkmal herum ein neues Stadtviertel entstehen sollte, wurden die letzten Reste des ehemaligen Klostergebäudes niedergerissen. An ihrer Stelle steht heute eine Wohnsiedlung

Evi Pechlaner

KC

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