Archivale des Monats
Auf Geleisen in die Dolomiten – Die Grödnerbahn
Als im frühen 20. Jahrhundert in Tirol reihum Schmalspur- und Zahnradbahnen entstanden, die Passagiere zuverlässig und schnell von Zentralräumen in Täler und auf Berge brachten, lag es nahe, auch die Dolomiten auf diesem Weg verkehrstechnisch besser zu erschließen. Da von einer solchen Stichbahn entscheidende Impulse für die Ankurbelung des Fremdenverkehrs zu erwarten waren, entbrannte um die Trassenführung ein jahrelanger Streit zwischen Bozen, Brixen und verschiedenen Gemeinden des Eisacktals. Die Grödner etwa wollten eine Trasse, die das Tal auf dem kürzesten Weg an die Brennerbahn anbinden sollte, um nicht nur Touristen ins Tal zu bringen, sondern auch die Produkte der lokalen Holzschnitzwerkstätten direkt exportieren zu können. Von 1906 bis 1915 währte das Tauziehen um die Trassenführung und Finanzierung der Bahn, mit dem Kriegseintritt Italiens im Mai 1915 ging dann alles ganz schnell: Im September 1915 begannen die Bauarbeiten an der Grödnerbahn und in nur fünf Monaten errichteten zehntausend Arbeiter, darunter etwa sechstausend russische Kriegsgefangene, unter teils unmenschlichen Bedingungen die gesamte Infrastruktur, die nun vor allem als militärische Nachschublinie für die Dolomitenfront dienen sollte. Bereits am 6. Februar 1916 fuhr so das erste „Bahnl“ von Klausen bis nach Plan bei Wolkenstein. Kriegsbedingt waren viele Viadukte zunächst noch in Holz errichtet worden und wurden erst sukzessive durch Steinbauten ersetzt. Nach Kriegsende diente die Bahn wieder zivilen Zwecken. Der Hobbyfotograf Mario Geat schoss im Herbst 1938 ein Foto der Bahn an der Haltestelle in Lajen, wo gerade einheimische Fahrgäste zusteigen. Der Grödnerbahn war kein langes Leben beschieden, sie teilte das Schicksal vieler anderer Lokalbahnen: Als der Automobilverkehr auf der Grödner Straße zunehmend überhandnahm, wurde die Bahn 1960 endgültig stillgelegt.
ep
PT
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