Archivale des Monats
Vom Weinberg zum Wohnviertel
Die Entwicklung des geförderten Wohnbaus in Südtirol und wie neue Kompetenzen und ein Stararchitekt das Viertel Haslach veränderten
Am 13. September 1973 erfolgte in Haslach bei Bozen die feierliche Grundsteinlegung für eine große genossenschaftliche Wohnsiedlung. Das Projekt, das zunächst mehrfach gescheitert war, konnte nun – nur eineinhalb Jahre nach Inkrafttreten des Zweiten Autonomiestatuts – mit Unterstützung und unter Aufsicht des Instituts für geförderten Wohnbau umgesetzt werden. Was hatte sich damals im Bereich Wohnbau geändert?
Sozialer Wohnbau als politisches Instrument
Bereits 1922 entstand in Bozen ein erstes von Clemens Holzmeister entworfenes Wohnhaus für öffentlich Bedienstete; in den folgenden Jahren wurde gerade der soziale Wohnbau in Südtirol zu einem wichtigen Instrument faschistischer Assimilierungspolitik. Es entstanden etwa der „Borgo Vittoria“ in Sinich oder in Bozen das sogenannte Semirurali-Viertel für Arbeiter der Bozner Industriezone. Das 1934 von mehreren Körperschaften gegründete „Volkswohnhäuserinstitut“ wurde 1937 in eine staatliche Institution umgewandelt und auch nach 1945 blieb es weitgehend unter staatlicher Kontrolle, obwohl der Provinz Bozen durch das Erste Autonomiestatut 1948 die ausschließliche Zuständigkeit im Bereich des sozialen Wohnbaus zuerkannt worden war.
Das Problem der Rücksiedler
Für die Tausenden Südtiroler Rückoptanten, die Italien nur zögerlich wieder aufnahm und für die kaum Wohnraum zur Verfügung stand, musste die Provinz nach 1949 sehr kurzfristig sogenannte Rücksiedler-Siedlungen errichten; zwei davon entstanden ab Mitte der 1950er Jahre in Bozen, jene in Haslach wurde von Architekt Helmut Maurer und dem jungen Othmar Barth entworfen. Der Umstand, dass die Zentralbehörden weitere 5000 Sozialwohnungen vornehmlich für italienischsprachige Zuwanderer planten, war im November 1957 einer der Auslöser für die Großkundgebung auf Schloss Sigmundskron, wo Tausende Südtiroler mehr Selbstbestimmung forderten.
Neue Kompetenzen und Bauboom
Das Zweite Autonomiestatut eröffnete der Provinz Bozen weitreichende neue Gestaltungsmöglichkeiten. Im Zuge der Wohnbaureform wurde das Volkswohnhäuserinstitut im August 1972 in Institut für geförderten Wohnbau umbenannt; sein Aufgabenprofil umfasst den Bau, den Erwerb, die Sanierung und Anmietung von Wohnungen für sozial schwache Personen, wobei die Zuteilung des Wohnraumes nach dem ethnischen Proporz erfolgt. Zugleich mit dem wirtschaftlichen Aufschwung entstanden ab den 1970er Jahren im ganzen Land Wohnsiedlungen, die entweder direkt vom Wohnbauinstitut oder durch von diesem geförderte Wohnbaugenossenschaften errichtet wurden.
Die „neue“ Siedlung in Haslach
Zwischen 1973 und 1984 veränderte das Wohnbauprojekt des Siedlungswerkes St. Albuin – wiederum nach Plänen von Othmar Barth – das einst ländliche Viertel am Fuße der Haselburg tiefgreifend. In zwei Baulosen entstanden drei Häuserzeilen mit 199 Wohnungen, von denen ein großer Teil Maisonettwohnungen sind, deren Wohn- und Schlafbereiche auf zwei verschiedenen Stockwerken liegen. Parallel zur Siedlung entstand die Kirche St. Gertraud mit Pfarrzentrum sowie ein Kindergarten und eine Schule. Die sich über den Hang ziehende Siedlung mit vielen Grünflächen und ihren hohen, weithin sichtbaren Gebäuden ist mittlerweile zu einem Synonym für Haslach geworden.
ep
PT
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