Archivale des Monats

Ein Wappenbrief aus der Sammlung Kurt Staffler

Wappenbrief für die Brüder Peter, Hanns und Leonhard Weissteiner aus Pfunders

In der Neuzeit, wie auch im Spätmittelalter, war das Recht zur Verleihung von Wappen ein Vorrecht der landesherrlichen Macht. Die Verleihung erfolgte durch Wappenbriefe, die von den landefürstlichen Kanzleien, aber auch von Hofpfalzgrafen ausgestellt wurden. Diese leiteten ihre Würde und Rolle von päpstlichen und kaiserlichen Investituren ab, von denen sie neben dem Recht zur Wappenverleihung auch die Befugnis zur Legitimierung leiblicher Kinder und zur Ernennung von Notaren ableiteten. Am 6. Dezember 1608 wurde den Brüdern Peter, Hanns und Leonhard Weissteiner aus Pfunders gerade von einem solchen Hofpfalzgrafen ein Wappen verliehen, nämlich vom Grafen Bernhard von Salamanca-Ortenburg (1562-1614), ehemaligem Rat und Kämmerer von Erzherzog Ferdinand II. von Österreich († 1595). Dieser genoss die Hofpfalzgrafenwürde in erblicher Form, und zwar dank eines Privilegs, das Kaiser Karl V. seinem Großvater Gabriel von Salamanca-Ortenburg (1489-1539), dem Stammvater eines Geschlechts spanischer Herkunft, das im Gefolge Karls und dessen Bruders Ferdinand I. nach Österreich gekommen war, verliehen hatte. Im Jahr 1634 war das von Bernhard zugunsten der Brüder Weissteiner ausgestellte Wappenbrief bereits ramponiert, woraufhin es vom Brixner Notar Andreas Erdinger in authentischer Form kopiert wurde. Die Abschrift wurde in der für die damalige Zeit raffiniertesten und ästhetisch ansprechendsten Form hergestellt, nämlich in jener einer Nachahmungskopie, die nicht nur den Wortlaut der Originalurkunde buchstabengetreu wiedergab, sondern sich auch bemühte, die äußeren Merkmale des Antigrafen mit äußerster Präzision wiederzugeben. Die uns überlieferte Abschrift gibt also nicht nur den Text des Originals wieder, sondern auch die heraldische Miniatur, die exornativen Schriftzeichen der ersten beiden Zeilen, die Anordnung des graphischen Spiegels und nicht zuletzt die Merkmale des Schriftträgers selbst: Da es sich bei dem Original um eine Siegelurkunde handelte, sind auf dem Pergament auch die charakteristische Plica und die beiden Löcher für die Anbringung eines Hängesiegels zu sehen, in diesem Fall jenes Erdingers, das allerdings nicht erhalten ist. Zwischen der Plica und dem Tenor der Urkunde brachte der Notar seine eigene Subscriptio mit dem entsprechenden notariellen Signum an, wo auch die Vorgeschichte, die zur Abfassung der beglaubigten Abschrift geführt hatte, und den Zustand, in dem sich das Original zu diesem Zeitpunkt befand, wiedergegeben sind. Zwischen der eigenen Unterschrift und dem kopierten Wappenbrief fügte Andreas Erdinger als Verweis auf das Siegel, das den Antigrafen beglaubigte, ein typisches kreisförmiges Zeichen ein, das dessen Vorhandensein auf dem Original anzeigt, d. h. einen Locus sigilli. Links davon befindet sich eine Wiedergabe der Unterschrift von Bernhard von Salamanca-Ortenburg. Äußerlich betrachtet ist es die unterschiedliche Handschrift, die die Kluft zwischen dem Tenor des kopierten Dokuments und der textlichen Neuerung, die Erdingers Subscriptio darstellt, markiert: Der Text des Originals ist in Kanzleischrift geschrieben, so wie es im Antigraph gewesen sein muss; die Handschrift der Subscriptio besteht aus einer schnellen und weniger formalen Kursivschrift. Das Original dieses Diploms ist nicht erhalten. Die authentische Nachahmung von 1634 ist dagegen in gutem Zustand und stellt ein interessantes Dokument dar, das aus diplomatischer Sicht vielleicht noch interessanter ist als das Original selbst, da es die typischen Formen der Siegelurkunde, der notariellen Abschrift (Vidimus) und des Wappenbriefes in sich vereint.

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