Archivale des Monats
…il mio povero Padre era discedente d’una Welsperg
Zu den welspergischen Erben in Fonzaso (BL)
Am 29. Februar 1840 verstarb im ehemals Völsischen Haus in der Bozner Hintergasse (heute Vintlerstraße Nr. 16) Johann Nepomuk Graf Welsperg, ehemals hoher Beamter in der österreichischen beziehungsweise bayerischen Verwaltung (vgl. Schlern Heft 3, 2021, S. 4-25). Er war der letzte Vertreter des Primörer Zweigs der welspergischen Familie, der somit mit ihm erlosch. Aufgrund der zeitweise angespannten Beziehung zwischen der Primörer und Langensteiner Linie des Hauses ist es an sich wenig überraschend, dass Johann Nepomuk sein beachtliches Allodialvermögen anstatt seinen „deutschen“ Vettern (auch seine Mutter war eine Welsperg, sie entstammte der Langensteiner Linie), den Kindern seiner Schwestern, Theresia verehelichte Gräfin Khuen, die bis zuletzt bei ihrem Bruder wohnte und nur einen Tag vor ihm das Zeitliche segnete, und Maria Anna verehelichte Gräfin Sarnthein hinterließ, namentlich den von khuen’schen Schwestern Johanna verehelichte von Prato und Anna verehelichte von Arz (Erbin des Bozner Stadtpalais) sowie den Brüdern Ludwig – Ehemann der sogenannten „Franzosenbraut“ Annette von Menz –, Joseph und Marquard von Sarnthein.
Letzterer erhielt nicht nur des Welspergs Reise-Chaise mit Gläsern, sondern nach der Erbsteilung mit seinen Brüdern auch die welspergischen Güter in Fonzaso bei Feltre. Alsbald verlagerte Marquard seinen Lebensmittelpunkt ins Venezianische. Insgesamt scheint sich er und seine Familie mit der neuen Heimat relativ rasch identifiziert zu haben: 1863 ist Marquard Vertreter des Adels auf der sogenannten Provinzialkonkregation von Belluno (Deputato degli estimati nobili presso la Congregazione provinciale di Belluno), sein Sohn Norbert, 1856–59 noch Prior von San Martino di Castrozza, heiratete 1866 die Feltrinerin Marianna Guarnieri, deren Tochter Maria den königlich-italienischen Hauptmann Remigio Rocca aus Alba im Piemont und deren Sohn Guido war Offizier im königlich-italienischen Militär, in dessen Reihen er am 1. März 1896 in der Schlacht bei Adua fiel.
Wie sich die Geschicke der Familie Sarnthein in Fonzaso weiter entwickelten, ist zum Teil im Archiv Toggenburg dokumentiert. Im Archiv Welsperg sind hingegen vier Briefe des Enrico (Heinrich) Sarnthein, Marquards zweiten Sohnes, an Heinrich von Welsperg beziehungsweise dessen Frau Caroline Baronin von Moll erhalten. Sie geben einen kleinen Einblick in das zuweilen etwas angespannte (Abhängigkeits-)Verhältnis des Sarnthein zu den reicheren welspergischen Verwandten im naheliegenden Fiera di Primiero.
Am 27. März 1894 beklagte sich Enrico über den bisher ausgebliebenen Besuch Heinrichs in Fonzaso: T’assicuro Enrico che mi spiace questa faccenda a non pocco, bensi lontana la nostra perantella tuttociò il mio povero Padre era discedente d’una Welsperg e frà Voi e noi gi [!] si trattava da parenti, e ciò non puoi sicuro negarmelo. Ein Grund für diese Kälte könnte möglicherweise in der Enttäuschung über das eingangs erwähnte Erbschaftsverhalten Johann Nepomuks begründet liegen. Dermaßen abweisend dürfte Welsperg nicht immer gewesen sein, denn immerhin hat er Sarnthein zur österreichischen Staatsbürgerschaft verholfen (ci hai aperto la via di poter ottenere la cittadinanza austriaca). Das damit verbundene Heimatrecht, d. h., die formale Aufnahme in eine Gemeinde der Habsburgermonarchie, wollte Enrico Sarnthein jedoch nicht in der Gemeinde Sarnthein erlangen, zumal ihm die dort geforderte Steuer mit 200 Gulden zu hoch veranschlagt war: una somma troppo fortissima per le mie finanze (Fonzaso, 1896 Dezember 29). Nach dem Tod Konrads von Welsperg (LINK) bekundete Sarnthein Heinrich von Welsperg zwar seine Anteilnahme, leitete in demselben Kondolenzschreiben jedoch umgehend und wenig taktvoll auf seine eigenen Kinder (i miei figliuoli crescono a nostra consolazione fin’ora, che Iddio mè li conservi e benedica), das Wetter und die Ernte über (Fonzaso, 1898 Juli 11).
Den Lebensabend verbrachte Enrico Sarnthein allein und in relativer Armut. So schrieb er in seinem letzten erhaltenen Schreiben an die Familie Welsperg, namentlich an Heinrichs Witwe Caroline von Moll, quanto bene mi farebbe un piccolo ajuto pecunario mensile sia pur piccolo per me sarebbe un balsamo […] se non mi strocco con Lei con chi debbo farlo. Non ho più fratello, non ho più moglie ne figli al mondo. (Arco, 1912 Jänner 5)
In der demnächst als Band 51 der Reihe der „Veröffentlichungen des Südtiroler Landesarchivs“ zur 2022 abgehaltenen Tagung „Die Welsperg. Aspekte einer Familienbiographie“ erscheinenden Monographie werden zahlreiche weitere Themen zur Geschichte der Welsperg behandelt.
pt
PT
Bildergalerie
Andere Mitteilungen dieser Kategorie
- Das Urbar der Rottenburger (07.11.2024)
- Das Perglwerk (10.10.2024)
- Ein Inventar von 1625 mit der Verlassenschaft des Martin Niedermair zu Moos im Burgfrieden St. Michelsburg (05.09.2024)