Archivale des Monats

„… wenn mitten beim Auf- und Abladen plötzlich die Elektrische daherkommt“

In Zeiten, wo über Straßenbahnen wieder eifrig diskutiert wird, bietet es sich an, die ehemalige Straßenbahn in Bozen in den Blick zu nehmen.

Gleiseverlegung in der Bozner Mustergasse ehemals Erzherzog-Rainer-Straße, Südtiroler Landesarchiv, Archiv der Etschwerke, Nr. 349

Parallel zur Inbetriebnahme moderner E-Werke auf der Töll bei Meran und am Eingang des Schnalstales durch die Etschwerke von Bozen und Meran gingen bei der Gemeindeverwaltung von Bozen Angebote zum Bau von Straßenbahnen ein. 1897 bot die „Aktiengesellschaft für elektrische und Verkehrsunternehmungen“ ihre Zusammenarbeit mit Bozen an, das zu dieser Zeit bereits mit der ebenfalls ungarischen Maschinenbaufirma Ganz & Co. in Verhandlung stand. Das Rennen zum Bau einer Trambahn vom Bozner Südbahnhof über Gries bis zum Anschluss an die Überetscherbahn machte schließlich die Wiener Niederlassung des deutschen Elektroriesen Siemens & Halske. Das ursprünglich auf den Fremdenverkehr ausgelegte Projekt wurde jedoch Jahre später in ein innerstädtisches Projekt umgewandelt, bei dem es vordergründig um die Verbindung von Bozen mit dem benachbarten Kurort Gries ging. Eine Straßenbahn für Bozen wurde schließlich erst 1906 durch gedeihliche Renditen aus der Beteiligung an den Etschwerken von Bozen und Meran wieder in Betracht gezogen. Der Stadtmagistrat von Bozen knüpfte jedoch an den Bau als weitere Bedingung vorausgehende Rentabilitätszahlen zur Trambahn Meran-Mais.

Freie Fahrt für die Straßenbahn Bozen – Gries bis zum Nobelhotel Austria gab es schließlich erst ab dem 1. Juli 1909.

Parallel zum politischen Tauziehen um Finanzierbarkeit und Wertschöpfung des Straßenbahnprojektes gab es auch ein Tauziehen um die Trassenführung. Dabei versuchten potenzielle Anrainer die Trasse möglichst nahe an ihre Geschäfte und Betriebe in der Innenstadt zu leiten. Ursprünglich sollten neben der Goethestraße sogar die Lauben ins Trambahnnetz der Handelsstadt eingebunden werden. Ein Vorhaben, das lediglich dadurch verhindert wurde, dass der Fuhrwerks-Zulieferverkehr bekanntermaßen in den engen Gassen der Altstadt keine Ausweichmöglichkeiten hatte, „wenn plötzlich die Elektrische daherkommt“ (Elisabeth Baumgartner, Eisenbahnlandschaft Alt-Tirol. Verkehrsgeschichte zwischen Kufstein und Als im Spannungsfeld von Tourismus, Politik und Kultur – Innsbruck, 1990).

Die „Bozner Nachrichten“ vom 2. Juli 1909 berichten über die Eröffnung der Trambahn „ohne jede offizielle Feier“. Das Komitee zu Trambahn absolvierte mit Honoratioren und der Presse eine Probefahrt in einem mit „Fahnen und Reisig geschmückten Motorwagen von der Endstation Südbahnhof“ bis zum Hotel Austria in Gries, wo die Gäste empfangen und bewirtet wurden. Nach einem weiteren Aufenthalt im Ansitz Plattnerhof fuhr die Festgesellschaft nach Bozen zurück.

Auf diese Notiz folgten auch schon zwei weniger erfreuliche Randnotizen, in denen es um „das Quietschen der Trambahn bei den diversen Krümmungen“ ging, das „man durch die ganze Stadt“ höre, was nicht gerade angenehm sei.

Auch wurde bereits angemahnt, dass die Probefahrten der neuen Straßenbahn ergeben hätten, „dass der sonstige Verkehr in der Göthestraße einer Regelung bedarf. Es haben sich nämlich bereits mehrere Fälle ergebe, in denen es lange Zeit dauerte, bis ein Ausweichen und Durchfahren der angesammelten Wagen, Karren etc. möglich wurde, ohne mit der Straßenbahn in Konflikt zu kommen.“

Es zeigt sich auch hier einmal mehr, dass die Mobilität in Bozen auch vor über 100 Jahren ein heiß diskutiertes Thema war.

MP

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