Südtiroler Kirchenbücher 1565-1923 online
Die seit dem Trienter Konzil (1545-1563) von den Pfarreien geführten Kirchenbücher (Tauf-, Trauungs- und Totenbücher) stellen die wichtigste Quelle für personengeschichtliche Recherchen dar. Waren die Kirchenbücher der Diözese Bozen-Brixen bislang nur in den Pfarrämtern oder über Mikrofilm am Südtiroler Landesarchiv einsehbar, so sind die Digitalisate der Mikrofilme nunmehr online verfügbar, und zwar hier:
Unter Kirchenbüchern im engeren Sinn (auch Matriken, Matrikeln, Pfarrmatrikeln, -register, -bücher, libri paroeciales) versteht man amtliche Register der Pfarrer zur Beurkundung von Taufen, Firmungen und Trauungen und Sterbefällen einer Pfarrei; sie werden im Regelfall bei den Pfarrämtern verwahrt.
Das Trienter Konzil (1545-1563) schrieb in seiner 24. Sitzung am 11. November 1563 den katholischen Pfarreien erstmals das Führen von Tauf- und Trauungsmatrikeln (libri baptizatorum, libri matrimoniorum) verbindlich vor, Anweisungen zur Führung von Toten-, Firmungs- und Familienbüchern (libri defunctorum, libri confirmatorum, libri de statu animarum) folgten mit dem 1614 veröffentlichten „Rituale Romanum“. Für die Zeit vom 17. bis weit ins 19. Jahrhundert bilden Matrikeln für große Teile Europas die bedeutendste, weil weitgehend systematisch und flächendeckend geführte Schriftquelle für historische Personen- und Bevölkerungsforschung.
In Südtirol stammen die ältesten erhaltenen Matrikeln aus Stilfes, wo sie bereits 1565 einsetzen (vor 1580 kennen wir Pfarrbücher aus Gufidaun, Lajen, Brixen, Klausen, Kastelruth, St. Pauls, Sterzing und Lüsen), ab dem 17. Jahrhundert kann man von einer sehr breiten Überlieferung ausgehen. Größere Verluste, etwa im Gefolge von Elementar- oder Kriegsereignissen, blieben die Ausnahme, so wurden in Mals beim Großbrand von Ende März 1799 auch die älteren Pfarrbücher zerstört.
Der absolutistische Staat des 18. Jahrhunderts zeigte Interesse an der Ordnung der Kirchenbuchführung; die auf der Grundlage der Pfarrregister erstellten Zeugnisse erhielten nun die Beweiskraft öffentlicher Urkunden. Für die österreichischen Erblande erfolgte eine gesetzliche Regelung unter Joseph II. mit kaiserlichem Patent vom 20. Februar 1784. Die Präambel unterstreicht die Bedeutung einer nun mittels vorgegebener Tabellenstruktur und Rubriken vereinheitlichten Führung der Matrikeln:
„Die Register über Trauung, Geburt, und Sterben sind sowohl in Ansehen der öffentlichen Verwaltung, als der einzelnen Familien von grosser Wichtigkeit. Die öffentliche Verwaltung erhält daraus über das Verhältniß, über die Vermehrung oder die Verminderung der Ehen, über den Zuwachs und Abgang der Gebohrnen, über die vergrösserte oder verminderte Sterblichkeit nützliche Kenntnisse. Einzelnen Familien dienen sie in mehr als einer Angelegenheit zu beweisenden Urkunden, und nicht selten sind sie Grundlage gerichtlicher Entscheidungen, von denen der Stand des Bürgers, und ganzer Verwandtschaften abhängt. Aus diesem Grunde sind Wir dem Wohl unserer Unterthanen die Sorgfalt schuldig, diesen Registern, deren Gestalt bis itzt blos willkührlich, deren Glaubwürdigkeit von einem einzelnen Menschen abhängig war, eine solche Einrichtung vorzuschreiben, welche, da sie dieselben der Absicht des Staates brauchbar machet, mit der allgemeinen Gleichförmigkeit, zugleich die gesetzmässige Sicherheit vereinbaret.“
Ab 1869 (Gesetz vom 10. Juli 1868, Reichsgesetzblatt 12/1869) erlangten in der Donaumonarchie auch die Bücher der Israelitischen Kultusgemeinden die Beweiskraft öffentlicher Urkunden.
Kirchenbuch- und staatliches Personenstandswesen blieben in Südtirol bis nach dem Ersten Weltkrieg und der Annexion durch das Königreich Italien (1919) vereint, eine Trennung der beiden Sphären erfolgte erst mit Wirkung vom 1. Jänner 1924 durch die Einführung kommunaler Zivilstandsregister, wie sie in Altitalien seit 1865 existieren (Kgl. Dekret vom 24. September 1923, Nr. 2013 „Estensione alle nuove provincie delle disposizioni relative all’ordinamento dello stato civile“).
Wie andere Kulturgüter gerieten auch die Kirchenbücher im Zuge der sogenannten Option der Südtiroler/innen in den Fokus der 1940 von Heinrich Himmler eingerichteten, dem SS-Ahnenerbe als Spezialdienststelle beigeordneten „Kulturkommission“. Zuständig für die Verzeichnung von Archiven war die Untergruppe 8 unter der Leitung von Franz Huter. Unter anderem wurden auch die Pfarrbücher nach Dekanaten systematisch erfasst und verfilmt. Das Filmmaterial wurde anschließend zum größten Teil an das „Reichssippenamt“ nach Berlin geschickt und erliegt heute in der Deutschen Zentralstelle für Genealogie, einem Referat des Staatsarchivs Leipzig.
Zwischen 1988 und 1991 wurden die Kirchenbücher der Diözese Bozen-Brixen in einer Kooperation von Autonomer Provinz Bozen und dem italienischen Ableger der Genealogical Society of Utah (Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage) mit Zustimmung des Generalvikars erneut mikroverfilmt. Grundlage dafür war der Beschluss des Landesausschusses Nr. 733 vom 15. Februar 1988 und eine Vereinbarung von Land, Generalvikariat und Genealogical Society vom 12. April 1988. Drei Sätze der dabei von der Genealogical Society hergestellten 35mm-Mikrofilme wurden vom Land erworben, mittels Lesegeräte den Besucherinnen und Besuchern des Landesarchivs zur Verfügung gestellt und seither sehr intensiv benützt.
Die auslaufende Mikrofilmtechnik und die damit verbundenen Schwierigkeiten, die Lesegeräte weiterhin zu warten bzw. durch neue zu ersetzen, führten 2016 zu dem Beschluss, die Mikrofilme der Kirchenbücher (insgesamt 464.132 Fotogramme) mit Blick auf eine künftige Online-Stellung von der Firma Bucap (Rom) digitalisieren zu lassen. Nachdem das Generalvikariat der Diözese Bozen-Brixen Ende 2019 sein grundsätzliches Einverständnis zur Veröffentlichung im Netz signalisiert hatte, wurden die weiteren Schritte am 7. Februar 2020 in einer Vereinbarung von Abteilung Denkmalpflege (Landesdenkmalamt) und Generalvikariat verschriftlicht.
Veröffentlicht werden hier sämtliche als Mikrofilmdigitalisate verfügbaren Tauf-, Trauungs- und Totenbücher der katholischen Pfarreien der Diözese Bozen-Brixen von den Anfängen der Überlieferung bis zum Stichdatum 31. Dezember 1923. Dazu sämtliche Namensindices, sofern sie das auch datenschutzrechtlich relevante Stichdatum nicht überschreiten.
Bei der Mikroverfilmungskampagne der späten achtziger Jahre konnten aus verschiedenen, heute nicht mehr rekonstruierbaren Gründen nicht alle Kirchenbücher erfasst werden. Ein Abgleich mit den im Zuge der Verzeichnungskampagne der Archive der katholischen Pfarreien (2001-2019) gewonnenen Daten zeigte eine signifikante Diskrepanz; zwischen 2002 und 2004 konnten zwar weitere Matrikeln aus Kuens, Laurein, Lengstein, Proveis, Schweinsteg und Teis verfilmt werden, es bleiben aber noch Lücken. Die noch nicht mikroverfilmten Kirchenbücher sollen im Laufe der nächsten Jahre sukzessive digitalisiert und über diese Kanäle ebenfalls schrittweise ins Netz gestellt werden.
Nicht verfilmt wurden in den achtziger Jahren auch die älteren Kirchenbücher der beiden in Südtirol bestehenden Evangelisch-lutherischen Gemeinden (Meran und Bozen-Gries), 2019 gab es mit den zuständigen Pfarrern bereits Gespräche, um die dort lagernden, über die zentralen Kasualien geführten Aufzeichnungen vor 1924 in den nächsten Jahren ebenfalls zu digitalisieren und im Internet zu veröffentlichen.
NB: Für die Ausstellung von Personenstandsurkunden (Geburtsurkunden usw.), beglaubigten Auszügen oder Abschriften aus den Kirchenbüchern sind ausschließlich die jeweiligen Pfarrämter zuständig.