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Regierungstreffen Südtirol-Graubünden in Bozen
Stilfserjoch, alpenquerende Bahnstrecke, Interreg Italien-Schweiz und der Kulturaustausch zwischen Ladinien und Graubünden: Das waren die Themen eines Treffens der Südtiroler und Bündner Regierungen.
Mehrere Themen von gemeinsamem Interesse standen im Mittelpunkt einer Arbeitssitzung der Bündner Regierung mit der Südtiroler Landesregierung am heutigen Freitag (18. November) im NoiTechpark in Bozen. Die Regierungen tauschten sich über die Aufwertung des Stilfserjochs, die angestrebte Bahnverbindung Engadin-Vinschgau, die laufenden und künftigen Interreg-Programme Italien-Schweiz sowie über gemeinsame Kulturprojekte der ladinischen und romanischen Sprachgruppe aus.
Landeshauptmann Arno Kompatscher und Regierungspräsident Marcus Caduff erinnerten daran, dass das Land Südtirol und der Kanton Graubünden durch die gemeinsame Grenze historisch, kulturell, sozial, wirtschaftlich und politisch verbunden seien. Seit vielen Jahren tauschen sich die Regierungen regelmäßig über gemeinsame Anliegen, grenzüberschreitende Projekte und mögliche Kooperationen aus. Nach einer pandemiebedingten Pause sei es nun umso erfreulicher, diese traditionellen Treffen wieder aufnehmen zu können.
Stilfserjoch GmbH: Graubünden soll Beobachterstatus erhalten
Sehr interessiert zeigten sich die Gäste aus Graubünden am Projekt zur nachhaltigen Aufwertung der Passhöhe und Passstraße am Stilfserjoch. Dazu hatten die Region Lombardei und das Land Südtirol im April 2022 die Gesellschaft "Stilfserjoch GmbH" (LPA hat berichtet) aus der Taufe gehoben. Sie soll zum einen die Passhöhe selbst attraktiver gestalten, zum anderen soll auch die Festung von Gomagoi als Besucherzentrum aufgewertet werden.
Graubünden ist über den Umbrailpass direkt an die Stilfserjoch-Passstraße angebunden. Damit wird sich das Projekt auch auf den Kanton Graubünden auswirken. Die Regierungen vereinbarten, einen Beobachterstatus Graubündens in der Gesellschaft anzustreben, um so den Informationsaustausch sicherzustellen und eine unterstützende Zusammenarbeit Graubündens im Rahmen der grenzüberschreitenden Möglichkeiten sicherzustellen.
Aktuellen Stand der Eisenbahnverbindung Terra Raetica geprüft
Auf den neuesten Stand brachten sich die beiden Regierungen auch bei der Machbarkeitsstudie zu einer alpenquerenden Eisenbahnverbindung im Gebiet der Terra Raetica, jenem Gebiet, das Tirol, Südtirol, Graubünden und die Lombardei verbindet. Gemeinsam will man dazu in den kommenden Jahren eine definitive Trassenführung ausfindig machen. Die dazu nötigen geologischen und hydrogeologischen Untersuchungen mit vertiefenden Studien müssen die ökologische, soziale und ökonomische Nachhaltigkeit berücksichtigen und sind teils noch in Arbeit. Der Vorsitz der Arbeitsgruppe Terra Raetica liegt aktuell beim Kanton Graubünden. Die Regierungen teilen die Vision, dass die¿Schiene¿als Rückgrat des¿öffentlichen Nahverkehrs für die grenzüberschreitende Mobilität im Dreiländereck in Zukunft eine wichtige Rolle spielen soll.
Neues Interreg-Programm Italien-Schweiz
Auch die verschiedenen Projekte zur grenzübergreifenden Zusammenarbeit im Rahmen des Interreg-Programms Italien-Schweiz stand unter der Lupe. Das künftige Programm für den Zeitraum 2021-2027 dürfte in Kürze von der EU-Kommission genehmigt werden. Insgesamt stehen rund 144 Millionen Euro zur Verfügung, die von der EU, Italien und der Schweiz gemeinsam finanziert werden. Besonders interessant für die Regierungen war die neu im Programm enthaltene Förderung von Kleinprojekten: Insbesondere wird im Kooperationsraum der Terra Raetica ein entsprechender Kleinprojektfonds eingerichtet. Chancen sehen die Regierungen auch im neu enthaltenen Interreg-Ziel, die Rolle der Kultur und des nachhaltigen Tourismus zu stärken.
Zusammenarbeit bei rätoromanischer Kultur
Im Bereich der Kultur und Bildung arbeiten Graubünden und Südtirol bereits zusammen, verbindet sie doch das gemeinsame Erbe der rätoromanischen Sprachgruppe. Um diese Zusammenarbeit auszubauen, ist unter anderem im Mai 2023 in Brixen ein "Festival der alpinen Poesie der Gegenwart" mit 15 Dichterinnen und Dichtern aus den drei Minderheitensprachgebieten geplant.
Großraubwild: Es braucht pragmatische Managementsysteme
Besprochen wurde auch das Thema Großraubwild. Risse stellen sowohl im Kanton Graubünden als auch im Land Südtirol ein großes Problem dar. Man vereinbarte, den Datenaustausch zu intensivieren und vor allem auf die bereits umfangreiche Bündner Erfahrung zurückzugreifen, um auch in Südtirol noch bessere Argumente für pragmatische Managementsysteme einschließlich Präventivmaßnahmen zu haben.
Grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung
Als positives Beispiel gelebter Zusammenarbeit nannten die Regierungen auch die Möglichkeit, dass das Gesundheitszentrum Val Müstair auch für Patientinnen und Patienten aus dem Obervinschgau zugänglich ist. Dies sieht ein entsprechendes Abkommen vor. Das Spital im Münstertal liegt nur wenige Kilometer von der Grenze entfernt und ist somit für Menschen aus dem Einzugsgebiet im westlichen Vinschgau schneller erreichbar als das Krankenhaus Schlanders. In diesem Rahmen diskutierten die Regierungen auch über weitere Angebote grenzüberschreitender Gesundheitsversorgung.
Familiengeld-Auszahlung: Definitive Lösung angestrebt
Ein Südtiroler Dank an Graubünden geht für eine vorläufige unbürokratische Lösung durch die Bündner Ausgleichskasse bei einem Problem der Auszahlung des Familiengeldes an Grenzpendelnde aus Südtirol. Aufgrund einer Reform in Italien bestehen Schwierigkeiten der gegenseitigen Bestätigung zwischen dem italienischen Fürsorgeinstitut INPS und der Bündner Ausgleichskasse. Es wurde vereinbart, auf Expertenebene eine Lösung zu erreichen.
Weitere Themen waren eine gemeinsame nachhaltige Entwicklung in den grenznahen Einzugsgebieten im Münstertal und oberen Vinschgau, aber auch die Zusammenarbeit beim Bevölkerungs- und Zivilschutz und der Denkmalpflege zu intensivieren.
Eusalp: Stabübergabe des Vorsitzes an die Schweizer Kantone
Die Bündner Regierung informierte sich auch über die gemeinsamen Erfahrungen Südtirols und des Trentino, die derzeit stellvertretend für Italien den Vorsitz der EU-Strategie der Europäischen Union für den Alpenraum¿(Eusalp) innehaben. Im Rahmen des Annual Forum, vom 22. bis zum 24. November in Trient findet die Stabübergabe an die Schweizer Kantone statt. Man war sich einig, dass die guten bilateralen Beziehungen, aber auch die Zusammenarbeit Graubündens und Südtirols innerhalb der Arge Alp dazu beigetragen haben, dass die Schweizer Kantone wieder in die Eusalp eingetreten sind.
Abschließend besichtigten die Bündner Regierungsmitglieder mit Regierungspräsident Marcus Caduff sowie den Regierungsräten Peter Peyer, Jon Domenic Parolini, Christian Rathgeb und Mario Cavigelli den Noi Techpark und lernten dessen breit gefächerte Tätigkeit zur Unterstützung von Innovation und Forschung in Südtirol kennen.
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LPA/gst