Kulturdonnerstag: Historiker Gehler stellte Eduard Reut-Nicolussi vor
Der zimbrische Jurist, Völkerrechtler und Politiker Eduard Reut-Nicolussi stand im Mittelpunkt des gestrigen Kulturdonnerstag der Euregio. Historiker Michael Gehler ging auf seine Bedeutung ein.
Eduard Reut-Nicolussi, der sich nach 1919 im geteilten Tirol zu einer politischen Führungsfigur entwickelte, steht sinnbildlich für die Geschichte des Tiroler Raums: Er stammte aus der deutsch-zimbrischen Sprachinsel Lusern, wurde 1888 in Trient geboren, studierte an der Universität Innsbruck Rechtswissenschaften, diente als Offizier bei den österreichischen Kaiserjägern, vertrat die Deutschsüdtiroler bei der Konstituierenden Nationalversammlung Deutschösterreichs, wurde 1921 ins italienische Parlament gewählt, musste 1927 nach Innsbruck fliehen, wo er 1931 in Rechtsphilosophie und Völkerrecht habilitierte und fortan lehrte. 1951 wurde er zum Rektor der Universität Innsbruck gewählt. Reut-Nicolussis Einsatz galt dem Minderheitenschutz und dem Kampf gegen die faschistische, aber auch nationalsozialistische Diktatur.
Nach einführenden Grußworten des Euregio-Generalsekretärs Christoph von Ach ging gestern (21. März) im Rahmen des Kulturdonnerstags der Euregio im Waaghaus in Bozen der Historiker und Professor für Neuere Deutsche und Europäische Geschichte und Leiter des Instituts für Geschichte an der Universität Hildesheim, Michael Gehler, einer der profundesten Kenner und Biografen von Eduard Reut-Nicolussi, auf dessen Figur und seine historische Bedeutung ein.
Gehler: "Reut-Nicolussi trat für 'Recht vor Macht' ein"
Nach einer ausführlichen Schilderung des bewegten Lebens und der wichtigsten Stationen bezeichnete Gehler Reut-Nicolussi als Wegbereiter für den späteren Gang Österreichs zu den Vereinten Nationen zumal er "für die Aufklärung der internationalen Staatenwelt über die Südtirolfrage" stehe. "Als Völkerrechtler ist Reut-Nicolussi für die Einhaltung von Recht vor Macht eingetreten und ist damit ein Gemeinschaftseuropäer avant la lettre", sagte Gehler, der zudem auf die "persönliche Integrität und die südtirolpolitische Konsequenz die berechtigte Forderung nach Gerechtigkeit und Menschlichkeit für seine Landsleute verkörperte". "Die Europaregion Tirol-Trentino-Südtirol würde Reut-Nicolussi nach Lage der Dinge als Wert an sich ansehen und einen Beitrag zur Annäherung und Vereinheitlichung Alt-Tirols im Rahmen einer visionären europäischen Einigung", zeigte sich Gehler überzeugt, "die Renationalisierung hingegen als Gefahr für seine Landsleute".
Zahlreiche Ehrengäste
An der angeregten Publikuumsdiskussion der bis auf den letzten Platz besetzten Veranstaltung haben unter anderem der ehemalige Landeshauptmann Luis Durnwalder, die ehemalige Landesrätin Martha Stocker, die ehemalige Landtagspräsidentin Rosa Franzelin-Werth, die Stadträtin von Bozen, Johanna Ramoser, der Bürgermeister und Präsident des Kulturinstituts von Lusern, Gianni Nicolussi Zaiga und der ehemalige Bürgermeister von Lusern, Luigi Nicolussi Castellan.
Euregio-Kulturdonnerstage
Die Initiative der Euregio-Kulturdonnerstage wurde vor zwei Jahren von der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino und dem Kulturverein Waag ins Leben gerufen: Jeweils an einem Donnerstag im Monat stehen im Waaghaus in Bozen Unterhaltung, Workshops und Gelegenheit zum gegenseitigen Kennenlernen für Erwachsene und für Kinder auf dem Programm.
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jw/gst