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Archiv 2014
Kurtatsch und Sterzing verfügen über Gefahrenzonenplan
Mit Kurtatsch und Sterzing haben weitere zwei Gemeinden die Bewertung der Gefahrensituation vervollständigt, die Grundlage für eine sichere Ortsentwicklung ist.
Die Landesregierung hat am Dienstag (17. November 2020) auf Vorschlag der für die Raumplanung zuständigen Landesrätin Maria Hochgruber Kuenzer die Gefahrenzonenpläne der Gemeinden Kurtatsch und Sterzing genehmigt. Der Gefahrenzonenplan gilt als dynamisches Arbeitsinstrument, das in die Gesamtbewertung sowohl historisches Wissen, Veränderungen im Laufe der Zeit als auch eventuelle Vorhersehbarkeiten überprüft.
Kurtatsch
Dass der Ort im Unterland mit rund 2300 Bewohnern nicht einer Lawinengefahr ausgesetzt ist, lässt sich anhand seiner Lage nachvollziehen: Die Gemeindefläche von 2940 Hektar erstreckt sich vom südlichen Teil des Tales orografisch rechts der Etsch von 209 bis auf 1800 Meter Meereshöhe des Tresner Horns. Seit 300 Jahren wurde kein Lawinenvorkommen festgehalten. Zu überwachen gilt es in Kurtatsch hingegen Massenbewegungen, wie Stein- und Blockschläge oder Hangrutschungen. Besonders die Felswände bergseitig der Ortschaft sind für Stein- und Blockschläge bekannt. Die Gefahr für den Ortskern wurde durch die Realisierung mehrerer Steinschlagschutzdämme bereits verringert. Aus geologischer Sicht relevant sind zudem einige Abschnitte außerhalb des Ortskernes der Landesstraßen LS 161 und LS 126: Sie verlaufen unterhalb von Felswänden, wo einige Einzelhöfe liegen. Darunter der Freisingerhof, dessen Wirtschaftsgebäude 2014 von einem Felssturz zerstört worden war. Das Gelände dort wurde mittlerweile gesichert.
Um Wassergefahren auszuweichen, wurde der Ortskern von Anfang an sicher gebaut. Anstatt direkt im Talboden wurde Kurtatsch erhöht und im Abstand zur Etsch errichtet: Nach den Überschwemmungen von 2001 wurden die zahlreichen Fließgewässer im Gemeindegebiet mit baulichen Maßnahmen abgesichert: "Mit Schutzbauten und gezielten Maßnahmen lassen sich gefährdete Fläche sichern", sagt Landesrätin Hochgruber Kuenzer, und fügt hinzu: "Diese Maßnahmen sind gerade für Südtirol wichtig, weil bebaubare Flächen sehr begrenzt sind."
Die Gefahren sind nach Klassen zoniert: H4 bei sehr hoher Gefahr (rot), H3 mit hoher Gefahreneinstufung (blau), H2 mit mittlerer Gefahreneinstufung (gelb): Mit gezielten Maßnahmen kann es gelingen, eine Zone soweit zu sichern, dass sie in die niedrigere Einstufung gelangen kann. Sind hingegen keine Gefahren vorhanden, wird das Untersuchungsgebiet als grau klassifiziert.
Sterzing
Anders als der Unterlandler Ort liegt die Wipptaler Bezirkshauptstadt inmitten von steilansteigenden Hängen der Berge am Alpenhauptkamm – sodass sich einige Gefahrenbereiche ergeben: Für die Goglmahd-Lawine und Riederbergalm-Lawine wurden rote Zonen ausgewiesen, in denen keinerlei Bautätigkeit möglich ist, während die Schneider- und Plattner-Lawine als blaue Zonen bewertet wurden. Sterzing ist laut dem nun genehmigten Gefahrenzonenplan wenig von Massenbewegungen betroffen: Diese beschränken sich vorwiegend entlang der Staatsstraße, wobei aufgrund von Straßenverbesserungen auch immer wieder Hangsicherungen nötig sind.
Im Wipptaler Hauptort gilt es aber in hydrologischer Hinsicht höhere Aufmerksamkeit bei Bauvorhaben walten zu lassen: Das Gemeindegebiet breitet sich rund um den Eisack aus und wird im Süden vom Mareiter- und vom Pfitscherbach geteilt. Die Altstadt liegt auf einem flachen Schwemmkegel und entsprechend mussten Sicherheitsmaßnahmen errichtet werden, um Sterzings Zentrum zu sichern. Auch der Zusammenfluss des Mareiterbachs in den Eisack kann bei Rückstau das Wassers aus den Ufern treten lassen. Die gefährdeten Flächen werden entsprechend in H4 (rot), H3 (blau) sowie auch H2 (gelb) gekennzeichnet. Für die Gemeinde gilt es, anhand dieses nun genehmigten GZP und zur Sicherheit der Einwohner Prioritäten zu setzen und zu entscheiden, welche Flächen mit geeigneten Maßnahmen gesichert werden. Bei festgestellten Naturgefahren müssen spezifische Auflagen bei Bauvorhaben eingehalten werden.
Die Gefahrenzonenplanung
Seit 2007 haben 57 Südtiroler Gemeinden einen aktuellen Gefahrenzonenplan (GZP): Statistisch ausgedrückt sind das 49 Prozent der Gemeinden, jedoch 69 Prozent der Südtiroler Bevölkerung. Im Landesgesetz Raum und Landschaft wurde die ursprüngliche Gesetzesregelung von 2007 übernommen und die Frist aktualisiert: Die Gemeinden müssen bis zwei Jahre nach in Krafttreten des Gesetzes Raum und Landschaft ihren GZP genehmigt haben. Das Gesetz ist mit 1. Juli 2020 in Kraft getreten.
Unterstützt werden die Gemeinden mit einer Finanzierungshilfe vom Land: 80 Prozent der Kosten für die Planerstellung trägt das Land Südtirol, 20 Prozent müssen die Gemeinden zahlen.
"Im Sinne des Bevölkerungsschutzes entscheidet jede Gemeinde, für die Bebauung sichere Flächen zur Verfügung zu stellen, wie und wo bestehende Gebäude oder Infrastrukturen geschützt werden müssen und welche Maßnahmen dafür jeweils am besten geeignet sind", sagt Landesrätin Hochgruber Kuenzer. "Aus diesem Grund haben alle Südtiroler Gemeinden den Prozess zur Erstellung ihres GZP eingeleitet."
Der GZP ist ein dem Gemeindeplan übergeordneter Fachplan. Experten erstellen den GZP, der von der Abteilung Natur, Landschaft und Raumentwicklung geprüft wird, unter anderem in Zusammenarbeit mit der Agentur für Bevölkerungsschutz, dem Amt für Geologie und Baustoffprüfung, der und der Abteilung Forstwirtschaft, mit Experten wie Geologen, Hydrologen, Wildbachverbauungs- und Lawinenexperten.
jk