Ludwig Steiner: Rückoption war lebenswichtig
(Fotonachweis: APA-IMAGES/APA/Roland Schlager) Ludwig Steiner wurde am 14. April 1922 in Innsbruck geboren und war während des Zweiten Weltkrieges im Widerstand gegen das NS-Regime aktiv. Im Mai 1945 unterstützte er Karl Gruber bei der Befreiung Innsbrucks. Nach dem Krieg wird Steiner Grubers Sekretär und begleitet ihn in dieser Funktion nach Paris zu den Friedensverhandlungen.
» Zwei Film-Ausschnitte aus Steiners Festrede im Landtag. (10 MB) (3 MB)
Der Pariser Vertrag hat den Südtiroler Optanten die Tür zur Wiedererlangung der italienischen Staatsbürgerschaft geöffnet. Für Ludwig Steiner, der in Paris als Sekretär von Außenminister Karl Gruber dabei war, war dies im Jahre 1946 das wichtigste Ergebnis der Verhandlungen mit Italien. In der Folge, so Steiner, war der Vertrag das Fundament für den stetigen Ausbau der Autonomie.
Welche Ziele verfolgte
Österreich mit der Unterzeichnung des
Gruber-Degasperi-Abkommens?
Als sich in Paris herausstellte,
dass die Großmächte nicht bereit
waren, eine Änderung der Grenzen Italiens
im Norden zuzulassen, auch nicht im Aosta-
Tal, war es Ziel Österreichs, die Überlebensrechte
der Südtiroler so gut dies menschenmöglich
ist für die Zukunft zu sichern.
Was waren die unmittelbaren
Folgen des von Gruber und Degasperi
unterzeichneten Abkommens?
Eines der wichtigsten, ja lebenswichtigen
Ergebnisse des Pariser Abkommens
war die Öffnung der Möglichkeit und
das Recht auf Re-Option. Wäre die Rückoption
nicht möglich gewesen, dann wären die
Südtiroler mit fremder Staatsbürgerschaft
Bürger minderen Rechts in der eigenen Heimat
gewesen.
Durch den Pariser Vertrag
wurde die Forderung nach Rückkehr
an Österreich zunächst aufgegeben. Das
Selbstbestimmungsrecht konnte nicht
durchgesetzt werden. War die Unterzeichnung
des Abkommens deshalb im Nachhinein
ein Fehler?
Zwar konnte im Pariser Vertrag die
Rückkehr Südtirols zu Österreich nicht erreicht
werden. Das Selbstbestimmungsrecht
der Südtiroler wurde jedoch nie aufgegeben.
Das Selbstbestimmungsrecht ist das Recht
der Südtiroler selbst und könnte gar nicht
von irgendeiner anderen Seite – auch nicht
„Rückoption war lebenswichtig“
von Österreich – aufgegeben oder darauf
verzichtet werden.
Sind die Maßnahmen
für Südtirol im „Paket“ und das darauf
aufbauende Zweite Autonomiestatut eine
Fortschreibung des Pariser Vertrages oder
hat dieses detaillierte Regelwerk eine völlige
neue Richtung eingeschlagen?
Alle heutigen Paket-Maßnahmen
bauen im Grunde auf das Gruber-Degasperi-
Abkommen von 1946 auf, gehen aber
bei weitem über dieses Abkommen hinaus.
Sie gehen viel weiter, als man es unmittelbar
nach Kriegsende überhaupt zu hoffen
wagte.
Die Autonomie hat sich
in den vergangenen Jahrzehnten zu einem
Erfolgsmodell entwickelt. Wie erklären Sie
sich den Südtiroler Aufschwung seit den
1970er Jahren?
Die Entwicklung der Südtiroler Autonomie
hin zu einem nicht nur in Europa
vorzeigbaren Erfolgsmodell hat verschiedene
Ursachen. Es war und ist vor allem der
Wille der Südtiroler ausschlaggebend, der
sich in einer demokratischen Legitimation
der Vertretung der Südtiroler Interessen in
der Welt manifestiert. Dazu kommt, dass
Österreich sich international unermüdlich
für die Rechte der Südtiroler einsetzt und
eingesetzt hat und dass Österreich sich
immer überall dort zum Schutze Südtirols
meldet, wo dies notwendig ist.
Obwohl die Autonomie
weitreichend ist, verstummen die Rufe
nach Selbstbestimmung nicht gänzlich.
Kann eine Minderheit wie die Südtiroler in
der Provinz Bozen heute das Recht einfordern,
über sich selbst zu bestimmen?
Selbstverständlich ist das Recht auf
Selbstbestimmung etwas, auf das schließlich
keine Gemeinschaft verzichten kann. Es
bleibt aber die Frage, wie und wann ein solches
Recht formell praktisch einzufordern
ist. Es ist zu überlegen, ob es auch andere
Wege gibt, die letztlich in der Praxis zum
gleichen Resultat führen können. Welche
Bedeutung haben in einem Europa ohne
Grenzen heute noch nationale Grenzen?