1957 aus Tiroler Sicht
Sigmundskron 1957 bildete den Startschuss für Südtirols Autonomieprozess und die politische Identitätsbildung. Österreich begann sich seiner Schutzmacht-Rolle bewusst zu werden.
Am 17. November 1957 verkündete SVPObmann Silvius Magnago sein Urteil über die einseitige Auslegung des Pariser Abkommens vom 5. September 1946, als er das historische „Los von Trient“ auf Schloss Sigmundskron aussprach. Seinem rhetorischen Geschick war es zu verdanken, dass ein Marsch nach Bozen durch aufgebrachte Demonstranten verhindert werden konnte. Erst unter dem massiven Druck der Volksstimmung und der eigenen Partei hatte Magnagos Politik auf eine „Landesautonomie für Südtirol allein“ abgezielt. Wenn Rom stets darauf verwiesen hatte, dass das Anliegen Südtirols eine rein „innerstaatliche Angelegenheit“ sei, so handelte Magnago staatsloyal. Mit der Forderung einer Loslösung Bozens von Trient distanzierte er sich jedoch von der eigenwilligen Interpretation des Pariser Abkommens durch Alcide Degasperi. Mit der „Los-von-Trient“-Parole, die sich zu einer autonomiepolitischen Südtirol-Doktrin ausformen sollte, konnte schrittweise versucht werden, die im Pariser Abkommen bewusst unterlassene genaue Abgrenzung des Autonomiegebietes nachträglich festzulegen. Die kompromisslose Position der Trentiner Vertreter war mitentscheidend für die Eskalation des Konflikts. So entstand Anfang der 1950er Jahre ein zweifaches Konfliktfeld: das inneritalienische Spannungspotential mit Rom und das interregionale mit dem Trentino.
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Der Autor: Michael Gehler, geboren 1962, ist Professor und Leiter des Institutes für Geschichte an der Stiftung Universität Hildesheim, Inhaber eines „Jean-Monnet Chairs“ für Europäische Geschichte; zahlreiche Publikationen zur Südtirolfrage nach 1945, über ein Jahrzehnt Mitarbeiter und Professor am Institut für Zeitgeschichte der Universität Innsbruck.