Vorwort
Liebe Leserinnen und Leser,
Für viele von Ihnen ist der 17. November
1957 mit persönlichen Erinnerungen
verbunden, das Datum ist Teil
Ihrer Lebensgeschichte, erinnerte Bilder,
Gedanken, Emotionen werden wach. Den Jüngeren unter Ihnen wurde ihr Wissen
um die Großkundgebung auf Sigmundskron
vermittelt, erzählt von Zeitzeugen, aus
dem Geschichtsunterricht, aus der eigenen
Auseinandersetzung mit Dokumenten
und Publikationen. Jetzt, fünf Jahrzehnte
später, wollen wir mit unserem Erinnern
das Ereignis würdigen, aus der zeitlichen
Distanz heraus beleuchten und
bewerten und uns als Perspektive für
die Zukunft neu aneignen. Dass die
Bewertungen dabei unterschiedlich
ausfallen, unterstreicht die
kulturelle Freiheit und Toleranz,
die wir heute genießen.
Auf Sigmundskron haben
1957 viele tausend Südtiroler
und Südtirolerinnen mit
dem „Los von Trient“ klar
ihr Beharren auf politische
Eigenständigkeit im
eigentlichen Sinn des Wortes demonstriert. Aus der damals großen
Sorge um die kulturelle Identität ist ein
solide verwurzeltes Selbstbewusstsein der
deutschen und ladinischen Volksgruppen
erwachsen.
Der Zusammenhalt der Südtiroler und
das stetige, zielsichere Engagement der
Politiker haben in einer starken Wechselwirkung
dem italienischen Staat jene umfangreiche
Autonomie abgerungen, die
heute international vielfach als Beispiel
betrachtet wird. Da die Veränderung die
einzige Konstante unserer Welt ist, bleibt
jeder Generation die Aufgabe, das heute
verbriefte Recht unserer Autonomie immer
wieder neu auszugestalten. Den Auftrag, die
kulturelle Selbständigkeit der Volksgruppen
zu stärken und dem Land eine Zukunft als
Heimat für alle zu geben, betrachten wir als
Vermächtnis derer, die vor 50 Jahren auf Sigmundskron
ihren Anspruch auf politische
Selbständigkeit ausgedrückt haben.
Sabine Kasslatter Mur, Landesrätin für Denkmalpflege und deutsche Kultur und Familie