Chronologie 1948 – 1972

31.1.1948
Die italienische verfassunggebende Versammlung genehmigt am 31. Jänner 1948 das erste Autonomiestatut. Darin sind die beiden Provinzen Bozen und Trient zu einer Region Trentino-Südtirol mit einem regionalen Parlament und einer Regionalregierung zusammengeschlossen worden. Die Selbstverwaltung liegt also in den Händen der italienischen Mehrheit des Trentino. Für die Provinz Bozen fällt nur eine ganz bescheidene Unterautonomie ab. Infolge des Widerstandes der Trentiner DC und der römischen Zentralbürokratie wird nicht einmal diese durchgeführt. Ebenso bleiben die anderen Bestimmungen des Pariser Vertrages zu einem wesentlichen Teil unerfüllt. Doch konnte als eine sehr wichtige Voraussetzung für die Zukunft der Südtiroler im Herbst 1947 zwischen Österreich und Italien in Ausführung des Pariser Abkommens die Optantenfrage geregelt werden. Das entsprechende Dekret trat vier Tage nach Erlass des Autonomiestatutes am 2. Februar 1948 in Kraft. Aufgrund des Verhandlungsergebnisses konnten praktisch alle in Südtirol lebenden Optanten und ein beträchtlicher Teil der Umgesiedelten die italienische Staatsbürgerschaft wieder erwerben.
6.10.1956
Am 6. Oktober 1956 übermittelt Österreich, das 1955 mit dem Staatsvertrag seine volle staatliche Souveränität zurückerhalten hat, eine Note an die italienische Regierung, in der alle Beschwerdepunkte dargelegt werden und Italien zu Verhandlungen aufgefordert wird. Italien erklärt sich aber nur zu unverbindlichen „Gesprächen“ bereit. Verhandlungen lehnt Rom mit der Behauptung ab, dass das Pariser Abkommen auch in Bezug auf die Autonomie durchgeführt sei und damit Österreich das Recht verloren habe, sich in der Frage amtlich einzuschalten.
Am 15. Oktober 1957 traf beim Bozner Bürgermeister ein Telegramm vom Minister für öffentliche Arbeiten ein, in welchem mitgeteilt wurde, dass Rom 2,5 Milliarden Lire für die Errichtung eines neuen Stadtteiles mit 5000 Wohnräumen, zusätzlich Kirchen und Gebäude für soziale und öffentliche Dienste zur Verfügung stelle. Über Sinn und Zweck solcher Großzügigkeit konnte es keinen Zweifel geben. Sie konnte nur als sehr schwerwiegender Schritt zur Förderung der Zuwanderung und verstärkten Italianisierung von Bozen aufgefasst werden.
17.11.1957
In einer Massenkundgebung auf Schloss Sigmundskron protestierten am 17. November 1957 35.000 Südtiroler gegen die Unterwanderung ihrer Heimat, gegen die Nichterfüllung des Pariser Vertrages und forderten mit dem „Los von Trient!” eine eigene Autonomie für Südtirol.
16.1.1959
Die Regierung erließ die Durchführungsbestimmungen zu jenem Artikel des Autonomiestatutes, in dem der Provinz Bozen gesetzgeberische Zuständigkeiten für den sozialen Wohnbau eingeräumt worden war. Mit diesem Dekret wurden die den Südtirolern im Autonomiestatut zuerkannten Befugnisse in wesentlichen Punkten wieder sehr stark beschnitten.
31.1.1959
Als Protest kündigte die Südtiroler Volkspartei am 31. Jänner 1959 die Zusammenarbeit in der Region auf und ging nach elf Jahren Mitarbeit mit der DC in die Opposition.
21.9.1959
Der österreichische Außenminister Bruno Kreisky kündigte in der Vollversammlung der Vereinten Nationen an, dass Österreich die nächste UNO-Vollversammlung im Herbst 1960 ersuchen werde, sich mit der Südtirolfrage zu befassen, falls in der Zwischenzeit die italienisch-österreichischen „Gespräche“ kein Ergebnis zeitigen sollten. Da keinerlei Fortschritte erzielt wurden, ließ Österreich das Südtirolproblem auf die Tagesordnung der 15. UNO-Vollversammlung setzen.
31.10.1960
Nach 14-tägiger Debatte im Politischen Sonderausschuss genehmigte die Vollversammlung der Vereinten Nationen einstimmig eine Entschließung zur Südtirolfrage. In der Resolution wird der Artikel 1 des Pariser Abkommens als Zweckbestimmung des gesamten Vertrages festgelegt, so dass auch der Artikel 2, betreffend die Autonomie, unter dem Gesichtspunkt des Schutzes des Volkscharakters und der kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklung der Südtiroler zu behandeln ist und Österreich zweifelsohne auch in diesem Punkt ein Mitspracherecht hat. Die Entschließung fordert beide Staaten zu Verhandlungen auf, um alle Meinungsverschiedenheiten betreffend das Pariser Abkommen zu bereinigen. Gemäß Auftrag der UNO treffen sich die Außenminister beider Staaten im Jänner, Mai und Juni 1961 in Konferenzen, die im Wesentlichen ergebnislos bleiben. Daraufhin geht Österreich im November 1961 erneut zur UNO, deren Vollversammlung am 18. November 1961 die Resolution des Vorjahres erneuert.
1.9.1961
Der italienische Ministerrat setzt die Neunzehnerkommission ein. Ihr wird die Aufgabe übertragen, die Südtirolfrage unter allen Gesichtspunkten zu studieren und der Regierung Vorschläge zu unterbreiten. Sie setzt sich aus sieben Südtirolern, einem Ladiner und elf Italienern zusammen. Die 19er Kommission muss auch in Zusammenhang mit der Feuernacht in Südtirol vom 11. Juni 1961 gesehen werden, in der 37 Masten von Hochspannungsleitungen in die Luft gesprengt worden sind. Die Anschläge, bei welchen man peinlichst auf Schonung von Menschenleben bedacht ist, rücken Südtirol in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der europäischen Öffentlichkeit, der Italien Rechnung tragen muss.
10.4.1964
Die Neunzehner-Kommission schließt ihre Arbeiten am 10. April 1964 ab. Sie macht sich einen Gutteil der Südtiroler Forderungen zu eigen, aber sehr wichtige Punkte bleiben noch offen. Unmittelbar nach Abschluss findet am 25. Mai in Genf eine Konferenz zwischen den Außenministern Bruno Kreisky und Giuseppe Saragat statt. Sie beschließt die Einsetzung einer italienisch-österreichischen Expertenkommission. Als Grundlage für die Besprechungen werden die Ergebnisse der Neunzehnerkommission genommen, welche auf diese Weise auf eine internationale Ebene gehoben werden. In den folgenden Jahren kommt es zu österreichisch-italienischen Expertengesprächen im ganz kleinen Kreis und schließlich zu Verhandlungen zwischen dem Südtiroler Landeshauptmann Silvius Magnago und Ministerpräsident Aldo Moro.
22.11.1969
Die Landesversammlung der SVP in Meran stimmt mit knapper Mehrheit dem zu einem „Paket” zusammengefassten Verhandlungsergebnis zu. Das Paket enthielt insgesamt 137 Maßnahmen zum besseren Schutz der Südtiroler, 97 davon mussten mit Abänderungen des bestehenden Autonomiestatutes durchgeführt werden, acht mit Durchführungsbestimmungen des Statuts, 15 mit Sondergesetzen und neun mit Verwaltungsverordnungen. Als Garantie für die Einhaltung der italienischen Zusagen wird ein so genannter Operationskalender vereinbart. Erst wenn Italien das Paket zur Gänze erfüllt hat, wird Österreich die Erklärung abgeben, dass Wien den bei der UNO behängenden „Streit über die Durchführung des Pariser Abkommens als beendet erachtet”.
29.11.1969
Die Außenminister Kurt Waldheim und Aldo Moro treffen sich in Kopenhagen und billigen Paket und Operationskalender, nachdem die letzten von Magnago erwirkten Zugeständnisse bilateral zur Kenntnis genommen worden waren. Mitte Dezember 1969 stimmen sowohl das italienische Parlament als auch der österreichische Nationalrat dem Paket und dem Operationskalender mehrheitlich zu.
20.1.1972
Das im Paket in Aussicht gestellte neue Autonomiestatut tritt am 20. Jänner 1972 in Kraft. Von den im Paket enthaltenen 15 Maßnahmen, die mit einfachem Gesetz zu verwirklichen sind, sind 14 durchgeführt worden. Die Neuordnung der Senatswahlkreise steht noch aus. Die Verwaltungsverordnungen sind alle in Kraft getreten. Damit das Land die Zuständigkeiten in den Sachbereichen, welche ihm das Statut zuerkennt, auch übernehmen kann, müssen Durchführungsbestimmungen erlassen werden. Sie werden von der Sechserkommission erarbeitet, wenn es sich um Befugnisse des Landes handelt, und von der Zwölferkommission, wenn sie beiden Provinzen oder der Region Trentino-Südtirol zustehen. Die Kommissionen unterbreiten ihre Vorschläge der Regierung. Wenn diese die Vorschläge sich zu eigen macht, werden sie mit Dekret des Präsidenten der Republik in Kraft gesetzt. Diese Durchführungsbestimmungen hätten laut Statut bis Jänner 1974 erlassen werden müssen. Der Termin von zwei Jahren wurde mit Einverständnis der Südtiroler Vertreter überschritten, weil die Materie zu umfangreich und zu kompliziert war, als dass man sie in dieser kurzen Zeitspanne hätte abhandeln können.