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Der Vertrag
"Im Geiste der Billigkeit und Weitherzigkeit..."
Der Pariser Vertrag war das Ergebnis eines Kompromisses im Zuge der politisch-diplomatischen Verhandlungen auf der Friedenskonferenz in Paris. Alle drei direkt betroffenen Partner – Italien, Österreich und die Südtiroler Minderheit – mussten dabei auf ihre Maximalforderungen verzichten. Italien erhielt eine eingeschränkte, d.h. an die im Vertrag gemachten Versprechungen gebundene territoriale Souveränität, Österreich musste auf seine Forderung nach Rückgliederung des Gebietes verzichten, und den Südtirolern wurde die Ausübung des Selbstbestimmungsrechtes verwehrt.
Nach der Überzeugung der Siegermächte sollte der Konflikt um die deutschsprachige Minderheit in Italien nicht durch eine Grenzverschiebung, sondern durch das Instrument einer Autonomie gelöst werden. Besonders die englische Außenpolitik, auf deren diplomatische Initiative hin dieser Kompromiss letztendlich zustande gekommen war, sah den Pariser Vertrag eingebettet in den größeren Zusammenhang einer österreichisch-italienischen Zusammenarbeit und der angestrebten europäischen Einigung.
Auch wenn es bis zu einer zufriedenstellenden Durchführung des Pariser Vertrages noch etlicher Jahre bedurfte, so wurde das Abkommen seiner ursprünglichen Zielsetzung von der Südtirol-Debatte vor der UNO 1960-1961 über die Ausarbeitung des Zweiten Autonomiestatuts von 1972 bis hin zur Streitbeilegungserklärung von 1992 doch gerecht.
Der Text des Pariser Vertages
- Die deutschsprachigen Bewohner der Provinz Bozen und
der benachbarten zweisprachigen Gemeinden der Provinz
Trient genießen die volle Gleichberechtigung mit den
italienischsprachigen Einwohnern im Rahmen besonderer
Maßnahmen zum Schutze der völkischen Eigenart und der
kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklung der deutschen
Sprachgruppe.
In Übereinstimmung mit den bereits erlassenen oder zu
erlassenden gesetzlichen Maßnahmen wird den Staatsbürgern
deutscher Zunge im besonderen gewährt:
- Volks- und Mittelschulunterricht in ihrer Muttersprache;
- Gleichberechtigung im Gebrauch der deutschen und italienischen Sprache in öffentlichen Ämtern und amtlichen Urkunden wie auch in der zweisprachigen Ortsnamengebung;
- das Recht, die deutschen Familiennamen wiederzuerwerben, die im Laufe der vergangenen Jahre italienisiert wurden;
- Gleichberechtigung bei Zulassung zu öffentlichen Ämtern, zum Zwecke, eine angemessenere Verteilung der Beamtenstellen zwischen den beiden Volksgruppen zu verwirklichen.
- Der Bevölkerung obengenannter Gebiete wird die Ausübung einer autonomen Gesetzgebungs- und Vollzugsgewalt für den Bereich ihrer Gebiete zuerkannt. Der Rahmen, in welchem die besagte Autonomie Anwendung findet, wird noch bestimmt, wobei auch örtliche Vertreter der deutschsprachigen Bevölkerung zu Rate gezogen werden.
- Die italienische Regierung verpflichtet sich, zum Zwecke der
Herstellung gutnachbarlicher Beziehungen zwischen
Österreich und Italien, nach Beratung mit der österreichischen
Regierung und innerhalb eines Jahres nach Unterzeichnung
vorliegenden Vertrags:
- im Geiste der Billigkeit und Weitherzigkeit die Frage der Staatsbürgerschaftsoptionen, welche sich aus dem Abkommen Hitler-Mussolini vom Jahre 1939 ergibt, neu zu regeln;
- eine Vereinbarung über die gegenseitige Anerkennung der Gültigkeit gewisser Studientitel und Hochschuldiplome zu treffen;
- ein Abkommen über den freien Personen- und Güterverkehr zwischen Nordtirol und Osttirol auf dem Schienenwege und in möglichst weitgehendem Umfange auch auf dem Straßenwege zu treffen;
- Sonderabmachungen zur Erleichterung eines erweiterten Grenzverkehrs und örtlichen Austausches bestimmter Mengen heimischer Erzeugnisse und Güter zwischen Österreich und Italien zu treffen.